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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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eine Adoption vollkommen
     aus. Bislang haben wir nichts Offizielles gehört.«
    »War sie nicht schon über fünfzig und bereits Großmutter?«
    »Ja.«
    »Wieso will sie dann ein Kind in seinem Alter adoptieren? Besonders reich hat sie auch nicht gewirkt. Haben Sie gesehen, was
     sie anhatte?«
    »Sie haben recht. Ich denke nicht, dass sie wiederkommt.«
    »Dann kommt er also zurück ins Internat? Für das Babyhaus ist er schon viel zu groß.«
    »Ja. Eine andere Möglichkeit gibt es für ihn nicht.«
    Wanja war wie gelähmt. Erst in diesem Moment wurde ihm klar, wie viel Hoffnung er auf Linda gesetzt hatte. Sie war extra seinetwegen
     von weit her gekommen, und sie hatte versprochen, wiederzukehren. Doch nun sagten die Betreuerinnen, dass dies nie geschehen
     würde. Der Klumpen in seinem Magen zog sich immer fester zusammen. Hatten sie wirklich gesagt, dass er zurück ins Internat
     müsse? Er wagte nicht, darüber nachzudenken, starrte ins Leere, sah nichts, fühlte nichts, bis er plötzlich von seinem Stuhl
     gehoben wurde. Es war Adela, die gekommen war, um ihn zum wöchentlichen Gottesdienst in die Kapelle des Babyhauses zu bringen.

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    |188| 15.
SCHULDZUWEISUNGEN
    November 1997
    Sieben Monate waren seit Lindas Besuch in Moskau vergangen, und noch immer war Wanjas Adoption nicht einen einzigen Schritt
     vorangekommen. Eines Tages klingelte es an Sarahs Wohnungstür. Es war Wika. Sie hatte einen hochroten Kopf und klopfte sich
     verärgert den Schnee von ihren Stiefeln.
    »Bist du gerannt, Wika? Das solltest du in deinem Zustand besser nicht tun.«
    Wika überging die Anspielung auf ihre Schwangerschaft. »Ich komme gerade aus dem Babyhaus. Sie tun es schon wieder!« Sie zog
     sich die Mütze vom Kopf und schüttelte ihre Haare zurecht. »Ich habe diese ganzen Überraschungen so satt.«
    Sarah schob sie in die Küche und machte ihr einen Tee. Wika berichtete, dass sie sich soeben mit Adela gestritten habe. Angefangen
     hatte alles mit Adelas Ankündigung, dass ein Besuch der medizinisch-psychologischen Kommission des Krankenhauses Nr. 6 bevorstand,
     um die älteren Kinder zu beurteilen.
    Wika hatte Adela noch nicht einmal aussprechen lassen. »Adela, Sie haben doch nicht etwa vor, Wanja noch einmal der Kommission
     vorzuführen? Was, wenn sie seine Diagnose wieder ändern? Ihn zurückstufen? Sie erklären ihn womöglich wieder für schwachsinnig,
     und dann ist es aus und vorbei mit der Adoption.«
    Kinder mit der Diagnose »schwachsinnig« wurden nicht in das Adoptionsverzeichnis aufgenommen, daher war es äußerst wichtig,
     dass Adela ihn vor der Kommission versteckt hielt. Wika hatte sie daran erinnert, dass es ihre Pflicht sei, Wanja zu |189| schützen, bis die Adoption bewilligt war. Doch Adela weigerte sich, ihr eine klare Antwort zu geben. Wie üblich schien sie
     den Dingen einfach ihren natürlichen Lauf lassen zu wollen. Sie klagte, dass sie bezüglich Wanjas Adoption bis heute nichts
     vom Ministerium gehört habe. Solange ihr nichts Schriftliches vorliege, seien ihr die Hände gebunden. Mit seinen knapp acht
     Jahren sei Wanja viel zu alt für das Babyhaus; ihn weiter dort zu behalten, könne sie in große Schwierigkeiten bringen.
    Wika konnte nicht länger an sich halten und fragte provokativ: »Dann wollen Sie also, dass er ins Internat zurückkommt? Und
     vierundzwanzig Stunden am Tag in einem Gitterbett verbringt? Ist es das, was Sie sich für ihn wünschen? Sind Sie dann glücklich?«
    »Wollen Sie damit etwa sagen, dass ich ihn nicht liebe?«, erwiderte Adela scharf. »Ich handle mir jede Menge Ärger ein mit
     dem, was ich für ihn tue. Sie werden meinen Posten jemand anderem geben.«
    Sarah goss Wika Tee nach und versuchte, sie zu beruhigen. Adela sei einfach überängstlich, sagte sie und schlug vor, ein paar
     Tage abzuwarten und Adela dann mit einer Prager Torte zu überraschen.
    »Du verstehst nicht, Sarah«, sagte Wika. »Sie hat mich aus dem Babyhaus geworfen und mir verboten, Wanja wiederzusehen!«
    Und es gab noch schlimmere Neuigkeiten. Wika senkte die Stimme, bis sie nur noch flüsterte. Seit einiger Zeit erhielt sie
     nachts obszöne Anrufe. Sie ging schon gar nicht mehr ans Telefon und hatte sich einen Anrufbeantworter gekauft, dennoch war
     es beängstigend, morgens um zwei aufzuwachen, das unheilvolle Klicken zu hören und zu wissen, welche Abscheulichkeiten in
     diesem Moment von dem Gerät aufgezeichnet wurden. Besonders unheimlich war die Tatsache, dass die Anrufe

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