Working Mum
die Kinder mit feuchten Reinigungstüchern ab. Vier Stunden auf der A1 liegen vor uns. Das Auto ist so überladen, dass es schwankt wie ein Schiff.
«Sind wir noch in England?», kommt es mit ungläubiger Stimme von hinten.
«Ja.»
«Sind wir schon bei Oma?»
«Nein.»
«Aber ich will jetzt bei Oma sein.»
Auf der Höhe von Hatfield bringen beide Kinder eine Fuge für Schreien und Wimmern zur Aufführung. Drehe die Weihnachtslieder vom Band bis zum Anschlag auf, und Richard und ich singen aus voller Kehle mit. (Rich ist der Countertenor, während ich den Jessye-Norman-Part übernehme.) In der Nähe von Peterborough, 80 Meilen von London entfernt, windet sich ein kleiner, quälender Gedanke aus dem Komposthaufen, der zurzeit den Inhalt meines Kopfes ausmacht.
«Rich, hast du daran gedacht, Roo einzupacken?»
«Ich wusste nicht, dass ich an Roo denken sollte. Ich dachte, du denkst an Roo.»
WIE JEDE ANDERE Familie haben auch die Shattocks ihre Weihnachtsbräuche. Einer davon ist, dass ich alle Geschenke für meine Seite der Familie kaufe, und dass ich die Geschenke für unsere Kinder und unsere beiden Patenkinder kaufe, und dass ich Geschenke für Richard kaufe und Geschenke für Richards Eltern und seinen Bruder Peter und Peters Frau Cheryl und ihre drei Kinder und Richards Onkel Alf, der jeden zweiten Feiertag aus Matlock rüberkommt und ganz wild auf Rugby ist und dessen Zähne es nur mit weichem Schokoladenkonfekt aufnehmen können.
«Was haben wir eigentlich für Dad?», fragt Rich zwangsläufig auf der Fahrt nach Yorkshire. Das eheliche wir, mit dem gemeint ist du, was so viel bedeutet wie ich.
Ich kaufe das Geschenkpapier und den Tesafilm und ich wickele die Geschenke ein. Ich kaufe die Karten und ein großes Blatt Briefmarken, zweite Klasse. Bis ich alle Karten geschrieben und Richs Unterschrift gefälscht habe und irgendetwas Warmherziges, aber Heiteres darüber geschrieben habe, etwa wie die Zeit doch dahinfliegt und wir im neuen Jahr auf jeden Fall von uns hören lassen werden (Lüge), ist es zu spät für Zweite-Klasse-Post, deshalb stelle ich mich in die Schlange am Postschalter und kaufe Erste-Klasse-Briefmarken, von denen ich jede einzelne anlecke und aufklebe. Dann kämpfe ich mich durch die Lebensmittelabteilung von Selfridge’s und kaufe Käse und diese kleinen Florentiner, die Barbara so gern mag.
Und dann kommen wir bei Barbara und Donald an, laden die Sachen aus dem Auto aus und legen alle Geschenke unter den Baum und bringen Ess- und Trinkbares in die Küche, und sie rufen im Chor: «O Richard, vielen Dank, dass du den Wein besorgt hast. Du hättest dir nicht so viel Mühe machen sollen.»
Ist es möglich, aus Mangel an Dankbarkeit zu sterben?
Mitternachtsmesse, St. Mary’s, Wrothly
Das Gras auf dem Dorfanger ist heute Nacht so gefroren, dass es beinahe Musik macht. Wir rischeln und rascheln von der alten Mühle der Shattocks zu der winzigen normannischen Kirche. Drinnen sind die Bänke voll, die Luft ist drückend und dumpf und von weingeschwängertem Atem erfüllt. Ich weiß, dass man die Trunkenbolde, die nur dieses eine Mal im Jahr in die Kirche gehen, scheel ansehen sollte, aber wie ich so neben Richard stehe, fällt mir auf, dass ich sie mag, dass ich sie sogar sehr beneide. Ihre lautstarken Versuche, leise zu sein, und mein Gefühl, dass sie auf der Suche nach Wärme und Licht und menschlichem Mitgefühl hergekommen sind.
Ich reiße mich zusammen, das tu ich wirklich, bis wir zu dieser Zeile in O Little Town of Bethlehem kommen, wo ich mir beide Handschuhe auf die Augen drücken muss.
«Above thy deep and dreamless sleep the silent stars go by.»
Über deinem tiefen und traumlosen Schlaf ziehen die stillen Sternlein vorbei.
4
Der Weihnachtstag
5.37: Wrothly, Yorkshire. Draußen ist es noch dunkel. Wir liegen alle vier kuschelnd und wie ein Krakenhaufen im Bett. Emily, halb wahnsinnig vor Weihnachtslüsternheit, zerreißt Papier. Ben spielt bu-kiek mit dem Abfall. Ich schenke Richard ein Paket luftgetrocknetes Rentier, zwei Paar schwedische Socken (hafergrützfarben), einen fünftägigen Weinverkostungskursus in Burgund und «Wie werde ich zur häuslichen Göttin» (Witz). Barbara und Donald schenken mir eine abwischbare Schürze mit Libertymuster und «Wie werde ich zur häuslichen Göttin» (kein Witz).
Richard schenkt mir:
1) Agent-Provocateur-Unterwäsche, roter BH mit erhabenen schwarzen Satintupfern und Halbschalenkörbchen, über welche die
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