Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
gehörte dazu.
    »Denke nicht, daß ich schlafe«, Serge lächelte mich verkrampft an.
    »Im Flugzeug werde ich nervös. Platzangst. Da bin ich lieber still.
    Was meinst du, was los ist?«
    »Schwer zu sagen. Nichts Ernstes, hoffe ich.«
    »Das will ich hoffen. Luftpiraten, die gibt es nur in anderen Flugzeugen«, murmelte Serge, bevor er wieder die Augen schloß.
    Hin und wieder bewegte sich ein Steward durch den Gang, zählte die Passagiere und verschwand im Cockpit. Es war drückend heiß. Ein Kleinkind schrie aus Leibeskräften. Einige Gesichter waren hinter Zeitungen verborgen; das Rascheln des Papiers reizte unsere Nerven.
    Das Gespenst von Terroristen, Sprengladungen, verdächtigen 57
    Koffern schwebte in der Kabine. Endlich ertönte die Stimme des Piloten durch den Lautsprecher, wir hatten Starterlaubnis. Die Maschine rollte vibrierend über die Bahn, wendete schwerfällig und wartete. Dann kam das Startsignal. Die altmodische DC 9 setzte sich in Bewegung. Das Brummen der Düsentriebwerke ging in ein schrilles Pfeifen über. Ein gewaltiger Ruck, das Flugzeug hob ab.
    Meine Ohren waren wie mit Watte gefüllt, es rauschte und knackte in meinem Trommelfell. Ich schluckte mehrmals, damit der Druck nachließ. Die Maschine stieg durch eine graue Wolkendecke, bis sie die Nebelfelder hinter sich ließ und die Sonne uns ins Gesicht schien.
    Die Leuchtschrift No Smoking erlosch. Die DC 9 tauchte aus den Nebelfeldern, zog in den strahlenden, türkisblauen Himmel.
    Der Flug nach Algier sollte nahezu zwei Stunden dauern. Plötzlich herrschte wieder gute Stimmung. Stewardessen in blauer Uniform hantierten ohne Eile hinter dem Vorhang. Als wir die Pyrenäen überflogen, trugen sie Tabletts mit einem Imbiß herein: Kartoffelsalat, ein halbes Brathuhn, ein Stück klebriger Aprikosenkuchen. Kein Alkohol. Der Lärm der Triebwerke versetzte uns in einen Zustand schläfriger Apathie, der nur durch die Gongsignale von den Ansagen unterbrochen wurde. Thuy lehnte entspannt den Kopf an Enriques Schulter. Der Sitz neben Rocco war frei; ich setzte mich zu ihm. Das Flugzeug flog nicht sehr hoch, bald wurde die Küste sichtbar; silbrig glitzernd breitete sich das Meer aus, darüber strahlte das Blau des Himmels. Rocco erzählte von seiner Reise nach Nepal.
    »Da saßen wir in einer dieser klapprigen Maschinen zwischen Pokhara und Katmandu. Der Pilot flog auf Sicht. Mit einem Mal schossen Wolken auf das Flugzeug zu. Der Nebel war überall, unten und oben, rechts und links. Die Maschine taumelte von einem Luftloch zum nächsten. Neben mir saß ein Sportjournalist aus Kansas City, stockbesoffen und grün wie Schnittlauch. Als die Motoren plötzlich aussetzten, schnallte der Bursche seinen Gurt auf, wankte zum Cockpit und schrie: ›Werde dem fucking Bastard mal zeigen, wie er die fucking Blechkiste zu fliegen hat!‹«
    Ich lachte. Rocco bot mir eine Zigarette an. Ich rauchte und sah aus dem Fenster. Das Meer wogte gleichmäßig. Algerien, dachte ich, ich sehe dich gern wieder. Mir lag viel daran; ich merkte es an meinem Herzklopfen. Es war kindisch, jetzt aufgeregt zu sein, nach fünfundzwanzig Jahren Abwesenheit. Zurückkommen war nicht das richtige Wort. Ich folgte einer Anziehungskraft.
    58
    Zwischenlandung in Algier. Die Sonne brannte heiß und stechend.
    Die grünweiße algerische Fahne flatterte über dem Flughafengelände. Die Halle für die Transitpassagiere war überfüllt.
    Es roch nach kalter Asche, Hammelfett und Knoblauch, den vertrauten Gerüchen des Südens. Familien mit verschnürten Koffern und Bündeln hatten sich auf den Bänken niedergelassen. Dunkelblau gekleidete Beamte verteilten Formulare, die ausgefüllt und gestempelt wurden. Ihre finsteren, mißtrauischen Gesichter vermittelten ein Gefühl des Unbehagens, der lauernden Gefahr.
    Wieder endlose Wartezeit. Bevor der Flug weiterging, wurde das Gepäck ausgeladen. Jeder Fluggast mußte sein Gepäckstück identifizieren. Die Koffer wurden kontrolliert, neu verladen. Überall Polizei, in Uniform und Zivilkleidung. Und doch, bräche hier das Chaos los, man wäre ihm nicht gewachsen. Diese offenkundige Wachsamkeit war nur Schein. Das Herz zog sich mir zusammen angesichts dieser Alarmbereitschaft und zugleich Unfähigkeit.
    Nichts als Argwohn überall. War es früher auch so gewesen? Ich ging der Frage aus dem Weg. Ob es mir gefiel oder nicht – dies war die Gegenwart, das Jetzt. Wir sollten die Orte der Kindheit im Herzen bewahren, wie ein fernes Märchenland. Sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher