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Wut

Wut

Titel: Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Seventieth-Street-Kontinuum völlig Fremden seine intimsten Dinge anvertraute. Das jedoch liebte Professor Solanka an New York, dieses Gefühl, von den Geschichten anderer Menschen ausgeschlossen zu sein, wie ein Phantom durch eine Stadt zu streifen, sich mitten in einer Story zu befinden, die ihn als handelnde Person nicht benötigte. Und die Ambivalenz des Mannes gegenüber seiner Frau, dachte Solanka: statt Frau lies Amerika. Und vielleicht bin ich immer noch auf dem Weg zum Sofa hinüber.
    Die Zeitungen des Tages brachten unerwarteten Trost. Er mußte den Fernseher zu spät eingeschaltet haben, um die neuesten Untersuchungsergebnisse zu den Sky-Ren-Bindy-Morden noch mitzubekommen. Voll Erleichterung las er, daß ein Team von Kriminalbeamten - drei Inspektionen arbeiteten zusammen an diesen Fällen - die drei Beaux zur Vernehmung abgeholt hatte. Sie waren später wieder nach Hause geschickt und vorerst waren keine Anklagen erhoben worden, doch die Detectives meinten es sehr ernst, und die jungen Männer waren gewarnt worden, nicht Hals über Kopf Kurs auf Riviera-Jachten oder Südostasien-Strände zu nehmen. Ungenannte, Polizeikreisen nahestehende Quellen behaupteten, die Mr. Panamahut -Theorie sei nicht mehr sehr glaubhaft, was eindeutig darauf schließen ließ, daß die beargwöhnten Boyfriends in dem Verdacht standen, den geheimnisvollen Verfolger gemeinsam ausgeheckt zu haben. Stash, Horse und Club wirkten auf den Fotos wie drei sehr verängstigte junge Männer. In der Presse wurde der unaufgeklärte Dreifachmord sofort mit dem Fall Nicole Brown Simpson und dem Tod des kleinen Jon Benet Ramsey in Zusammenhang gebracht. In solchen Fällen , schloß ein Leitartikel, sucht man am besten in der unmittelbaren Umgebung.
     
    »Kann ich mal mit Ihnen sprechen?« Als er, schwindlig vor Erleichterung, zu seiner Wohnung zurückkehrte, wartete Mila vor der Haustür auf ihn - sans entourage , aber mit einer halblebensgroßen Braingirl-Puppe im Arm. Die Veränderung in ihrem Verhalten war verblüffend. Verschwunden war die großspurige Pose der Straßen-Göttin, das Königin-der-Welt-Gehabe. Dies war eine schüchterne, linkische junge Frau mit leuchtenden grünen Augen. »Was Sie da gesagt haben, im Kino. Das sind Sie, das müssen Sie sein, nicht wahr? Sie sind der Professor Solanka. Braingirl, geschaffen von Prof. Malik Solanka.  Sie haben sie ins Leben gerufen, Sie haben sie lebendig gemacht. O Mann! Sogar sämtliche Videobänder von den Abenteuern hab ich gesammelt, und zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag ist mein Daddy zu einem Händler gegangen und hat mir den ersten Script-Entwurf der Galileo-Episode gekauft, wissen Sie, bevor sie all diese Blasphemien rausgeschnitten haben, das ist mein allergrößter Schatz. Okay, bitte sagen Sie, daß ich recht habe, denn sonst mache ich mich so lächerlich, daß mein ganzes Coolsein auf immer dahin ist. Na ja, es ist schon ziemlich weit dahin, Sie haben ja keine Ahnung, was Eddie und die Boys davon halten, daß ich hier mit ’ner Puppe ankomme, Mann o Mann.« Solankas angeborene Abwehr, schon erschüttert durch sein erleichtertes Herz, wurde von dieser extremen Leidenschaft endgültig überwunden. »Ja«, räumte er ein, »ja, das bin ich.« Sofort kreischte sie aus vollem Hals und sprang ungefähr zehn Zentimeter von seinem Gesicht entfernt hoch in die Luft. »Wahnsinn!« rief sie dann, unfähig, mit dem Auf-und-ab-Hüpfen aufzuhören. »O mein Gottl Wirklich, ich muß sagen, Professor: Sie sind absolut geill Und Ihr BG, diese kleine Lady hier, von der bin ich seit fast zehn Jahren schon richtig besessen. Ich beobachte jede Bewegung, die sie macht. Und wie Sie ganz richtig bemerkten, ist sie nur die Basis und die Inspiration für meinen jetzigen persönlichen Stil. « Sie streckte die Hand aus. »Mila. Mila Milo. Lachen Sie nicht. Ursprünglich hieß es Milosevic, aber mein Dad wollte etwas, das jeder aussprechen kann. Ich meine, wir sind schließlich in Amerika, stimmt’s? Wir machen’s uns leicht. Mila Milo.« Während sie die Vokale überdehnte, verzog sie das Gesicht; dann grinste sie. »Ich weiß nicht, klingt irgendwo nach Landwirtschaftsdünger . Oder vielleicht Getreidekörnern .«
    Während sie sprach, spürte er, wie der alte Zorn in ihm aufstieg, der gewaltige, ungeminderte Braingirl-Zorn, der all diese Jahre lang unausgesprochen, unaussprechbar geblieben war. Es war dieser Zorn, der unmittelbar zu der Episode mit dem Messer geführt hatte ... Es kostete ihn

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