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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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ich muß mich trotzdem hinsetzen. Und wie wäre es mit etwas zu trinken, Poole?«

5

    LIESERL BEFAND SICH im Innern der Sonne.
    Sie breitete die Arme weit aus und hob den Kopf. Sie war tief innerhalb der Konvektionszone der Sonne, dem breiten Mantel aus turbulenter Materie unterhalb der glühenden Protosphäre; Konvektionszellen, größer als die Erde und von magnetischen Flußlinien durchsetzt, erfüllten die Welt um sie herum mit einer komplexen, dynamischen, dreidimensionalen Struktur. Sie hörte das Brüllen der großen Gasquellen und roch die fahlen Photonen, die aus dem entfernten Fusionskern nach draußen in den Weltraum strebten.
    Sie fühlte sich, als ob sie allein in einer großen Höhle wäre. Wenn sie nach oben schaute, konnte sie sehen, wie die Photosphäre etwa achtzigtausend Kilometer über ihr ein glühendes Dach bildete, und die Grenze der inneren Strahlungszone hing als ein leuchtender, undurchdringlicher Boden wiederum achtzigtausend Kilometer unter ihr. Die Strahlungszone war eine Sphäre aus Plasma, die achtzig Prozent des Sonnendurchmessers ausfüllte – mit dem Fusionskern tief im Innern verborgen –, und die Konvektionszone war eine vergleichsweise dünne Schicht über dem Plasma, wobei die Photosphäre eine Kruste an der Grenze zum Weltraum darstellte. Sie konnte große Wellen erkennen, welche die Oberfläche des ›Meeres‹ der Strahlungszone kräuselten: Die Wellen waren Gravitationsträger -Schwerkraftwellen, wie die Wellen eines irdischen Ozeans – mit Tausenden von Kilometern langen Wellenkämmen und Laufzeiten von Tagen.
    Lieserl? Hörst du mich? Ist alles in Ordnung mit dir?
    Sie schwang die Arme an der Hüfte vorbei und erhob sich in die ›Luft‹ der Konvektionszone; sie machte eine Rolle rückwärts und ließ den Boden und das Dach dieser Höhlenwelt um sich rotieren. Sie öffnete ihre neuen Sinne, so daß sie die Turbulenz des Gases mit seiner fast terrestrischen Dichte als eine Brise auf der Haut spürte, und das warme Glühen harter Photonen, die aus dem Kern herausdiffundierten, war nicht mehr als eine sanfte Wärme auf ihrem Gesicht.
    Lieserl?
    Sie unterdrückte ein Seufzen.
    »Ja. Ja, Kevan. Mir geht es prächtig.«
    Verdammt, Lieserl, du mußt vernünftig reagieren. Die Dinge sind auch so schon kompliziert genug…
    »Ich weiß. Es tut mir leid. Wie geht es dir überhaupt?«
    Mir? Mir geht es gut. Aber das ist auch gar nicht der Punkt, stimmt’s? Jetzt mach schon, Lieserl, das Team hier steigt mir sonst aufs Dach; laß uns die Testserie durchführen.
    »Du meinst, daß ich überhaupt nicht hier unten bin, um mich zu amüsieren?«
    Die Tests, Lieserl.
    »Genau. Gut, zuerst den elektromagnetischen.« Sie justierte ihr Sensorium. »Um mich herum ist plötzlich nur Dunkelheit«, stellte sie trocken fest. »Im ganzen Frequenzbereich gibt es fast keine freie Strahlung mehr – höchstens noch schwache Gammastrahlung aus der Photosphäre; es wirkt ein wenig wie der Abendhimmel, kurz bevor die Sonne ganz untergeht. Und…«
    Komm schon, Lieserl. Wir wissen, daß die Systeme funktionieren. Ich muß wissen, was du siehst und was du fühlst.
    »Was ich fühle?«
    Sie breitete die Arme aus und segelte rückwärts durch die sie abbremsende Luft. Erneut öffnete sie die Augen.
    Die großen, semistabilen Konvektionszellen, von denen sie umgeben war, reichten von der Photosphäre bis zur Basis der Konvektionszone; sie kollidierten miteinander wie lebendige Wesen, große Wale in diesem amorphen Meer aus Gas. Und dieser emsige Bienenstock wurde von dem endlosen Fluß energiereicher Photonen aus dem strahlenden Plasmameer unter ihr angeregt.
    »Ich fühle mich wunderbar«, konstatierte sie. »Ich sehe Konvektionsquellen. Sie füllen eine ganze Höhle aus.«
    Gut. Sprich nur weiter, Lieserl. Du weißt, worum es uns hier geht; deine Sinne – deine virtuellen Sinne – sind Komposite, Konstrukte einer großen Anzahl von Inputs. Ich sehe, daß die individuellen Elemente funktionieren; was ich wissen muß, ist, wie gut sich das Virtuelle Sensorium integriert…
    »Schön.« Sie rollte sich auf den Bauch, so daß sie mit nach unten gewandtem Gesicht über das Plasma-Meer dahinglitt und es inspizierte.
    Lieserl, was jetzt?
    Erneut justierte sie die Augen. Die Flußröhren materialisierten und etablierten sich im Vordergrund; das Konvektionsmuster stand als grob konturiertes Gerüst im Hintergrund. »Ich sehe den Fluß«, meldete sie. »Ich sehe alles, was ich sehen will. Ich glaube, daß alles

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