Yakuza-Rache
normal…
Du spinnst, Sinclair! sagte ich zu mir selbst. Du spinnst und bist überdreht.
Zum Glück fühlte ich mich besser als am Morgen. Es mochte auch daran liegen, daß ich wieder Land sah, denn es würde vorangehen, das war sicher. Ob positiv oder negativ mußte sich noch herausstellen. London fraß mich mit seinem spätnachmittäglichen Verkehr. Ich wohnte am Rande von Soho, die Nippon Bar befand sich ebenfalls in diesem Stadtteil, ich hätte besser mit der U-Bahn fahren sollen, aber ich mußte mobil sein. So nahm ich die Tortur auf mich und gelangte erst nach über einer halben Stunde an mein Ziel.
Natürlich bekam ich vor der Bar keinen Parkplatz. So rollte ich erst an ihr vorbei, hinein in eine Nebenstraße, wo die Wagen ebenfalls dicht an dicht standen.
Schließlich wurde ein Platz frei, und ich rangierte den Rover rasch in diese Lücke.
Ziemlich geschafft stieg ich aus.
Die Sonne meinte es an diesem Tag gut. Eigentlich war es schon zu warm geworden.
Ich streifte mein Jackett über und ging den Weg zurück. Vorbei an Geschäften, kleinen Kneipen, Restaurants zwei japanische sah ich auch — und blieb vor dem Gebäude stehen, wo die Nippon Bar eingerichtet worden war.
Wenn mich jemand fragt, ob ich London kenne, werde ich die Frage immer bejahen. Diese Bar allerdings war mir noch nicht aufgefallen, und sie paßte zu den Japanern, die alles wollten — nur nicht auffallen. Schmuckloser und grauer konnte eine Hausfassade gar nicht sein wie die, vor der ich stand.
Nur die Tür war neu. Sie besaß ein Guckloch, so daß jeder Gast, der die Bar betreten wollte, genau unter die Lupe genommen werden konnte. Ich suchte vergeblich nach Sariana, wollte auch nicht unbedingt auffallen und ging ein paar Schritte zur Seite, wo ich vor dem Schaufenster eines Trödelladens stehenblieb.
Sariana hatte mich etwas versetzt, denn es war bereits fünf Minuten über die Zeit.
Dann kam sie doch, und sie fiel auf, weil sie einen hellen Staubmantel trug.
Lächelnd blieb sie vor mir stehen. Diesmal roch sie nach Puder und Schminke. Ihr Haar war frisch gegelt, und goldene Fäden liefen durch die dunkle Pracht. Die weiße Puderschicht auf den Wangen gab ihrem Gesicht etwas Puppenhaftes, das Lächeln der hellrot geschminkten Lippen wirkte leicht künstlich.
»Was schaust du mich an?«
»So kenne ich dich nicht.«
»Ich trage bereits meine Berufskleidung.«
»Wäre das nicht eine Waffe oder der Gegenstand, den ich gestern bei dir sah?«
Sie winkte ab. »Lassen wir das Thema.«
»Okay, wie geht es weiter?«
»Wir werden die Bar nicht gemeinsam betreten. Ich habe vorgefühlt, man hat nichts dagegen, daß auch Einheimische ihren Drink nehmen. Du mußt dich nur entsprechend verhalten.«
»Und wie?«
»Lächeln, John, nur lächeln.«
»Das fällt mir schwer.«
»Weiß ich.« Sie preßte für einen Moment einen Finger gegen die Stirn.
»Da wäre noch etwas, John. An diesem Abend haben wir auch Programm. Du wirst ein Theaterstück zu sehen bekommen.«
»Machst du auch mit?«
»Ja.«
»Und was spielst du?«
»Eine Fee, die versucht, das Böse zu vertreiben. Es ist auch hier das alte Rollenspiel: Gut gegen Böse.«
»Ist es auch eine Chance für Shimada?«
Ihr Blick verdüsterte sich. »Bitte john, male den Teufel nicht an die Wand.«
»Das befürchtest du auch?«
»Sagen wir so: Ich schließe es nicht aus. Durch ihn werden die Yakuza Einfluß zu gewinnen versuchen. Rechnen müssen wir mit allem. Bis gleich dann.«
Bevor ich noch eine Frage stellen konnte, war sie verschwunden. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Nippon Bar zu betreten…
***
Das Gelächter war verstummt, aber die Umgebung blieb. Suko befand sich immer in London und war trotzdem meilenweit von seiner Stadt entfernt. Er sah Soho, mal unter, dann neben sich. Alles wirkte wie mit Grauschleier überschüttet. Durch die Stadt fuhren die Autos, gingen die Menschen, doch sie produzierten keine Geräusche. Alles rollte an Suko in einer nahezu beklemmenden Stille vorbei.
Er hatte Shimada nicht gesehen, er hatte nur sein Gelächter gehört. Zudem wartete er auf die beiden untoten Samurai, denn er ging davon aus, daß es sich um Henker handelte, die ihn vom Leben in den Tod befördern sollten.
Es gab in dieser Welt so gut wie keine Temperatur. Alles war anders, so lau, nicht fest, nicht hart, nicht fühlbar oder widerstandsfähig. Ein durchsichtiges Gefängnis, dennoch ausbruchsicher, wie Suko festgestellt hatte.
Seine Reise ging weiter.
Er huschte
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