Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
dich von uns genommen hat, mit dir zusammen“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Du hattest ihn gebeten, dich zum Spielen mit hinunter in den Dschungel zu nehmen. Er war acht, was sehr jung klingen mag, aber sobald die Kinder der Zaltanas laufen können, lernen sie, im Dschungel zu überleben. Nutty kletterte bereits durch die Bäume, ehe sie ihren ersten Schritt auf dem Boden machen konnte. Meine Schwester ist dabei fast wahnsinnig geworden.“
Esau saß in einem seiner Lianensessel, und Müdigkeit schien auf ihn herabzusinken wie eine Staubschicht. „Als Leif ohne dich nach Hause kam, haben wir uns zunächst gar keine Sorgen gemacht. Ein verlorenes Kind wurde stets innerhalb von ein oder zwei Stunden gefunden. Schließlich ist der Dschungel von Illiais nicht so furchtbar groß. Raubtiere sind tagsüber nicht aktiv, und für die Nacht kennen wir einige Tricks, um sie von unserer Wohnung fernzuhalten. Aber je später es wurde und wir immer noch keine Spur von dir hatten, umso verzweifelter waren wir. Du warst wie vom Erdboden verschluckt, und alle glaubten, du wärst einer Halsbandschlange oder einem Baumleopard zum Opfer gefallen.“
„Halsbandschlange?“
Er schmunzelte, und in seinen Augen blitzte es verständnisvoll. „Ein grün und braun gemustertes Raubtier, das in den Bäumen lebt. Manchmal werden sie mehr als fünfzehn Meter lang, und sie verbergen sich so geschickt zwischen den Ästen, dass sie mit dem Dschungel praktisch verschmelzen. Wenn sich das Opfer nähert, wickeln sie sich um seinen Hals und drücken zu.“ Esau demonstrierte es mit seinen Händen. „Dann verschlingen sie den Körper in einem und ernähren sich wochenlang von dem Kadaver.“
„Das ist ja ekelhaft.“
„In der Tat, und es ist unmöglich zu sehen, was in der Schlange drinsteckt, bis man sie tötet. Aber ihre Haut ist zu dick für Pfeile, und es ist geradezu Selbstmord, sich ihnen zu nähern. Das Gleiche gilt für Baumleoparden. Die Katze schleift die Beute in ihre Höhle, in die kein anderer hineinkommt. Zum Schluss hat einzig Leif geglaubt, dass du noch am Leben bist. Er vermutete, du könntest dich irgendwo verstecken, und das Ganze sei nur ein Spiel. Während wir anderen trauerten, hat Leif jeden Tag den Urwald durchsucht.
„Wann hat er denn damit aufgehört?“, fragte ich.
„Gestern.“
4. KAPITEL
K ein Wunder, dass Leif so wütend war. Vierzehn Jahre hatte er mit Suchen verbracht, und ich war so unfair gewesen, ihn mich nicht finden zu lassen. Als Einziger hatte er unbeirrt geglaubt, dass ich noch am Leben sei. Ich bedauerte jedes böse Wort, mit dem ich jemals an ihn gedacht hatte. Bis er an der Tür zu Esaus Arbeitszimmer auftauchte.
„Vater“, sagte Leif, ohne mich eines Blickes zu würdigen, „sag diesem Mädchen, dass ich in zwei Stunden zur Zitadelle aufbreche. Wenn sie also mitkommen will …“
„Warum denn jetzt schon?“, fragte Esau. „Man erwartet dich doch erst in zwei Wochen.“
„Bavol hat eine Nachricht vom Ersten Magier bekommen. Irgendetwas ist passiert. Sie brauchen mich sofort.“ Vor lauter Wichtigkeit schien Leifs Brustkorb sich aufzublähen.
Ich unterdrückte den Wunsch, ihm in die Magengrube zu boxen und seiner Selbstgefälligkeit einen Dämpfer zu versetzen.
Als Leif auf dem Absatz kehrtmachte und hinausging, fragte ich Esau: „Reist denn sonst noch jemand in den nächsten Wochen zur Zitadelle?“
Er schüttelte den Kopf. „Es ist eine lange Reise. Ein mehrtägiger Fußweg. Und die meisten Zaltanas bevorzugen den Dschungel.“
„Was ist denn mit Bavol Cacao? Vertritt er uns nicht als Ratsherr im Bergfried? Muss er nicht anwesend sein?“ Irys hatte mir erklärt, dass der Rat aus den vier Magiern im Range eines Meisters sowie einem Vertreter aller elf Clans bestand. Zusammen regierten sie die Länder des Südens.
„Nein, er ist nicht dort. Der Rat löst sich während der heißen Jahreszeit auf.“
„Ach so.“ Es war schwer zu glauben, dass hier gerade erst die heiße Jahreszeit begann. Wenn man während der kalten Jahreszeit aus Ixia in den Süden kam, hatte man das Gefühl, dass dort alles schon verdorrt sei.
„Kannst du mir den Weg nicht beschreiben?“, fragte ich.
„Yelena, es ist sicherer mit Leif. Komm jetzt, lass uns packen. Zwei Stunden sind nicht …“ Esau unterbrach sich und warf mir einen Blick zu. „Ist dieser Rucksack alles, was du hast?“
„Und mein Streitkolben.“
„Dann brauchst du noch einiges.“ Esau begann, sein Zimmer zu
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