Yelena und der Mörder von Sitia - Snyder, M: Yelena und der Mörder von Sitia
Mein Blick fiel auf die Decke. Ich lag auf einem Bett, das an der Wand unter einem geöffneten Fenster stand. Vergeblich versuchte ich mich aufzusetzen. Meine Beine waren praktisch unbeweglich. Ich kam mir entblößt und verletzt vor, als hätte man mir die Haut vom Leib gezogen. Meine Kehle war trocken und fühlte sich an wie Pergament. Auf einem Nachttisch standen ein Krug mit kühlem Wasser und ein leeres Glas. Ich goss es voll und leerte es mit drei großen Schlucken. Sogleich ging es mir ein wenig besser, und ich schaute mich in dem Zimmer um. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Kleiderschrank; rechts davon war ein wandhoher Spiegel angebracht, und zu seiner linken Seite befand sich die Tür.
Cahil tauchte an der Tür auf. „Habe ich also richtig gehört. Du bist aufgewacht.“
„Was ist denn passiert?“, fragte ich.
„Die Erste Magierin hat versucht, deine Gedanken zu lesen“, erklärte Cahil. Er wirkte verlegen. „Sie war sehr aufgebracht über deinen Widerstand, aber sie hat gesagt, dass du keine Spionin bist.“
„Na prima.“ Meine Stimme troff vor Sarkasmus. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie bin ich hierher gekommen? Sag es mir!“
Er wurde ein wenig rot. „Ich habe dich getragen.“
Ich schlang die Arme um meinen Körper. Die Vorstellung, von ihm berührt worden zu sein, verursachte mir eine Gänsehaut. „Warum bist du hier?“
„Ich wollte sicher sein, dass mit dir alles in Ordnung ist.“
„Auf einmal sorgst du dich um mich? Das kann ich kaum glauben.“ Meine Beine fühlten sich so wacklig an, als sei ich zu viele Runden gelaufen, und mein Rücken schmerzte höllisch. „Wo bin ich hier überhaupt?“
„Im Wohntrakt der Schüler. Der Flügel der Meisterschüler. Die Zimmer sind dir zugeteilt worden.“
Cahil ging nach nebenan. Unsicher folgte ich ihm in einen kleinen Wohnbereich mit einem großen Schreibtisch, einer Couch, Tisch und Stühlen sowie einem marmornen Kamin. Auch die Wände waren aus hellgrünem Marmor. Auf dem Tisch lagen mein Rucksack und mein Streitkolben.
Eine zweite Tür gab den Blick frei auf einen Garten mit Bäumen und Statuen, hinter denen gerade die Sonne versank. Ich durchquerte den Raum, öffnete sie, trat ins Freie und schaute mich um. Meine Wohnung lag am Ende eines langgestreckten, einstöckigen Gebäudes. Niemand war zu sehen.
Cahil trat neben mich. „Erst zu Beginn der kühlen Jahreszeit kommen die Schüler zurück.“ Er zeigte auf einen Weg. „Der führt zum Speisesaal und zu den Klassenräumen. Soll ich dich herumführen?“
„Nein“, sagte ich und ging zurück ins Wohnzimmer. An der Tür drehte ich mich zu ihm um. „Ich möchte, dass du und deine Spielzeugsoldaten mich endlich in Ruhe lasst. Jetzt weißt du ja, dass ich keine Spionin bin, also bleib mir gefälligst vom Leib.“ Damit knallte ich ihm die Tür vor der Nase zu und verschloss sie. Zur Sicherheit schob ich auch noch einen Stuhl unter die Türklinke.
Ich rollte mich auf dem Bett zusammen. Urplötzlich überkam mich schreckliches Heimweh. Heimweh nach Valek. Nach seiner Stärke und seiner Liebe. Weil wir nur so kurz zusammen gewesen waren, vermisste ich ihn umso mehr. Seine Abwesenheit hinterließ in mir eine Leere im Herzen und einen sengenden Schmerz tief in meinem Inneren.
Wie gerne hätte ich Sitia wieder den Rücken gekehrt. Meine magischen Kräfte hatte ich zur Genüge unter Kontrolle, um ein Verglühen zu vermeiden. Ich wollte nicht länger bei diesen schrecklichen Menschen bleiben. Um die Grenze nach Ixia zu erreichen, brauchte ich nur nach Norden zu laufen. Im Kopf begann ich bereits, die Reise zu planen und eine Liste der notwendigen Dinge zusammenzustellen. Ich dachte sogar daran, Topaz zu entführen, um zu fliehen. Als es im Zimmer zu dunkeln begann, schlief ich ein.
Die Sonnenstrahlen weckten mich. Ich rollte mich auf die andere Seite, und während ich noch überlegte, ob ich es wohl schaffen könnte, den Bergfried unbemerkt zu verlassen, wurde mir bewusst, dass ich überhaupt keine Ahnung vom Grundriss der Anlage hatte. Zwar hätte ich eine Erkundungstour durch den Bergfried machen können, aber ich wollte niemandem begegnen oder gesehen werden. Deshalb blieb ich den ganzen Tag im Bett liegen. Erst am Abend schlief ich wieder ein.
Ein weiterer Tag zerrann. Jemand rüttelte an meiner Türklinke, dann klopfte es und ich hörte meinen Namen. Ich rief zurück, sie sollten verschwinden, und war erleichtert, als sie es taten.
Wie betäubt lag ich
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