Zärtliche Wildnis
Das läßt ihn völlig kalt.«
Gerade in diesem Moment aber ließen Andrew die Gedanken an Liz gar nicht kalt. Wieder war ein Tag vergangen, und das merkwürdige kleine Ding war nicht gekommen. Nur noch ein Tag, dann würde er das Krankenhaus verlassen. War es möglich, daß sie ihn einfach vergessen hatte, daß sie das Leben ihrer Wahl führte und darin für andere keinen Platz hatte? Sie besaß die Zuneigung der Kinder und die Freundschaft ihrer Mütter; sie war außerdem eng mit Kay Dayton verbunden. Mit einem Grinsen sagte er sich, daß sie ja auch noch den großen Hund hatte, den sie überall mitnahm. Wie hatte übrigens Pirate auf Kay reagiert?
Er fragte sie danach, als sie wieder in sein Zimmer kam, und sie erklärte, das Verhältnis zwischen ihr und dem Hund sei friedlich und harmonisch.
»Am ersten Nachmittag war ich schon ein bißchen nervös. Er lag da, den Kopf auf die Pfoten gestützt, und ließ mich keinen Moment aus den Augen. Nach einer langen Zeit schließlich erhob er sich und bot mir majestätisch die Pfote.«
»Er akzeptierte Sie?«
»Das sagte Liz auch, aber ich wollte natürlich wissen, was ich mit der Riesenpfote anfangen sollte. Ich schüttelte sie freundlich, aber er nahm sie nicht herunter, und schließlich erklärte mir Liz, ich sollte einfach sagen, >Danke, Pirate. Geh jetzt und leg dich wieder hin<. Das tat ich auch, und es wirkte. Jetzt behandelt er mich als Familienangehörige. — Ach übrigens, wir fahren morgen, wenn Sie entlassen werden, mit Ihnen zu Liz. Das haben Adam, Liz und ich so ausgemacht.«
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Arrangiert hatte das Schwester Dayton. Die beiden anderen hatten nur zugestimmt.
Adam stimmte im allgemeinen allem zu, was seiner Ansicht nach seinem Freund Freude machen konnte. Er war ein treuer Mensch, und er hatte Andrew jeden zweiten Tag besucht, um ihm über die Arbeit auf dem Hof zu berichten. Es gab zwar gerade nicht allzuviel Arbeit, aber um die Besuche bei Andrew herausschlagen zu müssen, hatte er dennoch einige Überstunden machen müssen. Es lag auf der Hand, daß Andrew Oldfield, wo immer auch seine Grenzen liegen mochten, einen sehr guten Freund hatte, der ihn in- und auswendig kannte.
Es war auffallend, wie häufig Schwester Dayton auf der Station zu tun hatte, wenn Adam seinen Freund besuchte. Es dauerte nicht lange, da wurde Adam auf die Anwesenheit dieses hübschen Mädchens aufmerksam. Oldfield vermerkte das mit Vergnügen. Es wurde langsam Zeit, daß der gute Adam wieder an Frauen Interesse fand, und Kay Dayton war ein nettes Mädchen. Die Einsamkeit und Traurigkeit seines Freundes bekümmerten ihn, und er bedauerte seine höfliche Nichtachtung der hübschen Mädchen, mit denen er in Southville bekannt gemacht wurde. Andrew hatte Verständnis für seine Treue, bedauerte jedoch ihre Unerschütterlichkeit. Er selbst hatte vor Jahren einen Schlag einstecken müssen, als Sally Barton ihn verlassen hatte, um einen reicheren Mann zu heiraten. Diese Geschichte war zwar mit Adams Verlust nicht vergleichbar, doch Oldfield war damals zutiefst niedergeschlagen gewesen. Er hatte einfach alle Brücken hinter sich abgebrochen und auf der anderen Seite der Insel eine Farm gekauft. Es war an der Zeit, daß auch Adam sich klarmachte, daß Vergangenes vergangen war, und sich seiner glücklichen Gegenwart öffnete. Das hätte auch Norah so gewollt. Adam war ein Mann, der eine Frau brauchte.
Er selbst gehörte einer anderen Kategorie an. Er war ein eingefleischter Junggeselle, durchaus bereit, mit einem hübschen Mädchen zu tanzen und zu flirten, aber eisern entschlossen, es dabei bewenden zu lassen. Nur weil er hier im Krankenhaus festlag und nichts zu tun hatte, kehrten seine Gedanken immer wieder zu dem rätselhaften, kleinen Mädchen zurück, das ihn in jener Nacht aufgenommen hatte. Sie war ein Wesen, das voller Widersprüche zu stecken schien, und deshalb erregte sie seine Neugier. Der Ausdruck in den Augen seines Freundes Adam, wenn Schwester Dayton auftauchte, hatte dagegen mit Neugier nichts zu tun. Er deutete auf etwas ganz anderes hin, und Andrew beschloß, dies zu fördern.
Deshalb war er sogleich einverstanden, als Kay sagte: »Wir werden morgen Ihre Genesung feiern. Wir fahren auf einen Drink und eine Tasse Kaffee zu Liz, gewissermaßen >in memoriam<.«
Er ging sogar so weit, vorzuschlagen, daß die beiden Mädchen ihn nach Hause begleiten sollten, um sich zu vergewissern, daß er wohlbehalten den heimischen Herd
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