Zauber der Schlange
vor seinen Augen auf. Er sah, wie Toraks Gesicht zerschmolz und wie seine Finger brannten. Dann wurde das Gesicht undeutlich. Es verwandelte sich, bis es zu dem Gesicht des dunklen Beobachters wurde, dessen Geist mit dem seinen verbunden war, soweit er sich zurückerinnern konnte. Er fühlte, wie eine schreckliche Kraft sich in ihm aufbaute, während das Bild Chamdars, in sengende Flammen gehüllt, vor ihm stand.
»Jetzt!« befahl die Stimme. »Tu es!« Es erforderte nur einen Schlag. Seine Wut würde durch nichts weniger befriedigt werden. Er schoß so schnell auf den Grolim zu, daß keiner der Legionäre ihn aufhalten konnte. Er holte mit seinem rechten Arm aus, und in dem Moment, in dem seine Handfläche Chamdars vernarbte linke Wange berührte, fühlte er, wie alle Kraft, die sich in ihm aufgebaut hatte, aus dem silbrigen Mal in seiner Hand strömte. »Brenne!« befahl er mit dem Willen, daß es geschehe.
Überrumpelt sprang Chamdar zurück. Ein plötzlicher Zorn malte sich auf seinem Gesicht ab, dann weiteten sich seine Augen in erschreckter Erkenntnis. Einen Moment lang starrte er Garion in blankem Entsetzen an, dann verzog sich sein Gesicht vor Schmerz. »Nein!« schrie er heiser auf, aber schon begann seine Wange dort zu qualmen und zu versengen, wo das Mal in Garions Hand sie berührt hatte. Rauchfahnen stiegen von seinem schwarzen Umhang empor, als ob plötzlich ein Feuer unter ihm entfacht worden wäre. Dann schrie er wieder und hielt sich das Gesicht. Seine Finger fingen Feuer. Erneut schrie er auf, und plötzlich fiel er zuckend zu Boden.
»Halt aus!« Diesmal war es Tante Pol, deren Stimme scharf in Garions Geist ertönte.
Chamdars ganzes Gesicht stand nun in Flammen, und seine Schreie hallten in dem dunklen Wald wider. Die Legionäre wichen vor dem brennenden Mann zurück. Garion wurde plötzlich übel. Er wollte sich abwenden.
»Nicht nachlassen!« sagte Tante Pols Stimme zu ihm. »Halte deinen Willen auf ihn gerichtet!« Garion stand über dem lodernden Grolim. Das feuchte Laub auf dem Boden rauchte und schwelt, wo Chamdar sich wälzte und mit dem Feuer kämpfte, das ihn verzehrte. Flammen schossen aus seiner Brust, seine Schreie wurden schwächer. Mit ungeheurer Anstrengung kämpfte er sich auf die Füße und streckte seine brennenden Hände Garion flehend entgegen. Sein Gesicht war nicht mehr, schmieriger, schwarzer Rauch stieg aus seinem Körper empor und schwebte langsam zu Boden. »Meister«, krächzte er, »Gnade!«
Garions Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen. All die Jahre der geheimen Verbundenheit zwischen ihnen zerrten an ihm.
»Nein!« befahl Tante Pols Stimme streng. »Er wird dich töten, wenn du ihn freiläßt!«
»Ich kann nicht«, sagte Garion. »Ich muß damit aufhören.« Wie schon einmal, begann er, seinen Willen zu konzentrieren und spürte, wie er sich in ihm aufbaute wie eine große Woge aus Mitleid und Erbarmen. Er kniete sich halb über Chamdar und konzentrierte seine Gedanken auf Heilung.
Garion!« tönte Tante Pols Stimme. »Chamdar hat deine Eltern getötet!«
Der Gedanke, der sich in seinem Kopf formen wollte, gefror.
»Chamdar hat Geran und Ildera getötet. Er hat sie bei lebendigem Leib verbrannt – so wie er jetzt brennt. Räche sie, Garion! Halte das Feuer auf ihn gerichtet!«
Alle Wut und aller Zorn, den er in sich getragen hatte, seit Wolf ihm vom Tod seiner Eltern erzählt hatte, flammte in ihm auf. Das Feuer, das vor einem Augenblick fast erloschen war, reichte plötzlich nicht mehr aus. Die Hand, die er in Erbarmen schon halb ausgestreckt hatte, verharrte. In schrecklichem Zorn hob er sie und streckte die Handfläche vor. Es kribbelte eigenartig in ihr, dann brachen aus seiner eigenen Hand plötzlich Feuer hervor. Er fühlte keinen Schmerz, nicht einmal Hitze, als ein helles blaues Feuer aus dem Mal in seiner Hand schoß und durch seine Finger züngelte. Das Blau wurde heller – so hell, daß er es nicht ansehen konnte.
Selbst in seinem äußersten Todeskampf wich Chamdar vor der flammenden Hand zurück. Mit einem heiseren, verzweifelten Schrei versuchte er, sein rauchgeschwärztes Gesicht zu verbergen, taumelte ein paar Schritte zurück, brach dann wie ein brennendes Haus in sich zusammen und sank zu Boden.
»Es ist vollbracht!« kam Tante Pols Stimme wieder. »Sie sind gerächt!« Und dann klang ihre Stimme in den Höhlungen seines Geistes mit einem emporsteigenden Jubel. »Belgarion«, sang sie. »Mein Belgarion!«
Mit aschgrauem Gesicht
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