Zauber der Schlange
liebsten Freundes wohl kenne, würden müßige Zungen einen Skandal daraus machen, blieben sie unbeaufsichtigt allein beisammen. Kluge Leute geben keinerlei mögliche Grundlage für falsche Gerüchte und niederträchtige Anspielungen.«
»Dann bleibe ich hier, mein Herr«, antwortete Garion.
»Braver Bursche«, sagte der Baron anerkennend. Dann verließ er, mit einem Blick, der irgendwie gehetzt wirkte, leise den Raum.
»Wollt Ihr euch setzen, meine Dame?« fragte Mandorallen Nerina und deutete auf eine steinerne Bank, die in der Nähe eines Fensters stand.
»Gern«, sagte sie. »Unsere Reise war ermüdend.«
»Es ist ein langer Weg von Vo Ebor«, stimmte Mandorallen ihr zu und setzte sich auf eine andere Bank. »Habt Ihr und der Baron die Straßen in gutem Zustand vorgefunden?«
»Vielleicht nicht so trocken, um das Reisen erfreulich zu machen«, sagte sie.
Sie sprachen eine Zeitlang über die Straßen und das Wetter, zwar nicht weit voneinander sitzend, aber doch nicht so nah, daß jemand, der zufällig durch die offene Tür hereinschaute, ihre Unterhaltung für etwas anderes als unschuldig hätte halten können. Ihre Augen sprachen jedoch vertrauter miteinander. Garion starrte peinlich berührt aus einem Fenster, an dem er so Aufstellung genommen hatte, daß man ihn von der Tür auf jeden Fall sehen konnte.
Als die Unterhaltung fortschritt, gab es immer länger werdende Pausen. Garion wand sich innerlich bei jedem schmerzerfüllten Schweigen, voller Angst, daß Mandorallen oder die Dame Nerina in der höchsten Not ihrer hoffnungslosen Liebe die unausgesprochene Grenze überschreiten und das eine Wort, den einen Satz aussprechen könnte, der Selbstbeherrschung und Ehre zerfallen ließ und ihr Leben zerstörte. Und doch wünschte ein Teil seines Ichs, daß das Wort, der Satz ausgesprochen wurde, so daß ihre Liebe aufflammen konnte, wie kurz auch immer.
Dort, in diesem ruhigen, sonnendurchfluteten Raum überschritt Garion eine Grenze. Das Vorurteil gegen Mandorallen, das Lelldorins hitzköpfiges Partisanentum in ihm aufgebaut hatte, zerfiel und verschwand. Ein Gefühl stieg in ihm hoch; kein Mitleid, denn Mitleid hätten sie nicht akzeptiert, sondern eher Mitgefühl. Mehr noch, ganz allmählich begann er zu begreifen, daß die Ehre und der tiefe Stolz, wenn sie auch noch so selbstlos waren, die Grundlage der Tragödie bildeten, die seit ungezählten Jahrhunderten in Arendien ablief.
Vielleicht eine halbe Stunde lang saßen Mandorallen und die Dame Nerina da und wechselten kaum noch ein Wort. Ihre Augen verloren sich im Gesicht des anderen, und Garion, den Tränen nahe, hielt seine aufgezwungene Wache. Dann kam Durnik, um ihnen zu sagen, daß Meister Wolf und Tante Pol sich zum Aufbruch bereitmachten.
Teil Zwei
Tolnedra
12
E ine schmetternde Hornfanfare grüßte sie von den Brustwehren Vo Mimbres, als sie, begleitet von gepanzerten Rittern in Zweierreihen und König Korodullin selbst, aus der Stadt ritten. Garion warf einen Blick zurück und glaubte, die Dame Nerina auf der Mauer über dem Torbogen stehen zu sehen, aber ganz sicher war er nicht. Die Dame winkte nicht, und Mandorallen schaute nicht zurück. Garion hielt jedoch fast den Atem an, bis Vo Mimbre außer Sichtweite war.
Es war bereits Nachmittag, als sie die Furt erreichten, die durch den Arend nach Tolnedra führte. Die Sonne glitzerte hell auf dem Fluß. Der Himmel war sehr blau, und die farbigen Wimpel auf den Lanzen der sie eskortierenden Ritter flatterten im Wind. Garion verspürte ein verzweifeltes Verlangen, ein fast unerträgliches Drängen danach, den Fluß zu überqueren und Arendien und die schrecklichen Dinge, die dort geschehen waren, hinter sich zu lassen.
»Heil und Lebewohl, heiliger Belgarath«, sagte Korodullin am Ufer. »Ich werde, wie Ihr mir geraten habt, mit meinen Vorbereitungen beginnen. Arendien wird bereit sein. Ich verpflichte mich bei meinem Leben dazu.«
»Und ich werde dir von Zeit zu Zeit Nachricht über unsere Fortschritte zukommen lassen«, sagte Meister Wolf.
»Ich werde auch die Umtriebe der Murgos in meinem Reich überprüfen lassen«, sagte Korodullin. »Wenn das, was Ihr mir erzählt habt, sich als wahr erweisen sollte, was ich nicht bezweifle, werde ich sie aus Arendien ausweisen. Ich werde jeden einzelnen suchen und aus meinem Land werfen lassen. Ich werde dafür sorgen, daß ihr Leben eine Last und Qual für sie wird, weil sie Zwietracht und Streit unter meinen Untertanen gesät haben.«
Wolf
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