Zauber der Schlange
Taschendiebs aus den Docks von Tol Vordue zu verbeugen.«
Radan traten bei Haldors berechnenden Beleidigungen fast die Augen aus dem Kopf. Er öffnete ein paarmal den Mund, als ob er etwas sagen wollte, aber seine Zunge schien vor Wut wie gelähmt. Sein Gesicht lief dunkelrot an, und er griff vor sich in die Luft. Dann versteifte sich sein Körper und bog sich nach hinten.
Haldor beobachtete ihn mit fast klinischem Interesse.
Mit einem erstickten Schrei fiel Radan rückwärts auf das Pflaster, während seine Arme und Beine wild ruderten. Seine Augen verdrehten sich, und ihm trat Schaum vor den Mund, als die Krämpfe heftiger wurden. Er begann, mit dem Kopf auf das Pflaster zu schlagen, und seine zuckenden Finger umklammerten seine Kehle.
»Erstaunliche Wirkung«, sagte der dritte Mann zu Haldor. »Wo hast du es her?«
»Ein Freund von mir hat kürzlich eine Reise nach Sthiss Tor gemacht«, sagte Haldor und betrachtete gespannt Radans Zuckungen. »Das schöne daran ist, daß es völlig harmlos ist, solange man sich nicht aufregt. Radan wollte den Wein erst trinken, nachdem ich gekostet hatte, um zu beweisen, daß der Wein in Ordnung war.«
»Dann hast du dasselbe Gift in dir?« fragte der andere Mann erstaunt.
»Ich habe nichts zu befürchten«, sagte Haldor. »Meine Gefühle gehen nie mit mir durch.«
Radans Krämpfe waren schwächer geworden. Seine Fersen trommelten auf den Boden, dann wurde er steif, gab einen langen, gurgelnden Seufzer von sich und starb.
»Du hast wohl nicht noch etwas von der Droge übrig?« fragte Haldors Freund nachdenklich. »Ich würde auch gern einiges dafür bezahlen.«
Haldor lachte. »Warum gehen wir nicht zu mir und unterhalten uns darüber? Vielleicht bei einem Becher Wein?«
Der andere Mann warf ihm einen verblüfften Blick zu, dann lachte er auch, wenngleich etwas nervös. Die beiden wandten sich ab, gingen davon und ließen den toten Mann auf den Steinen liegen.
Garion starrte ihnen entsetzt nach und betrachtete dann den Leichnam mit dem schwarzen Gesicht, der so grotesk verzerrt mitten auf dem Marktplatz lag. Die Tolnedrer in der Nähe der Leiche schienen ihre Existenz einfach zu ignorieren. »Warum tut denn niemand etwas?« fragte er.
»Sie haben Angst«, erklärte Silk. »Wenn sie irgendwelches Interesse zeigen, könnte man sie fälschlich für Partisanen halten. Politik wird hier in Tol Honeth sehr ernst genommen.«
»Sollte nicht jemand die Behörden verständigen?« meinte Durnik mit blassem Gesicht und zitternder Stimme.
»Dafür wird sicherlich schon gesorgt«, sagte Silk. »Wir wollen nicht hier stehenbleiben und starren. Wir sollten nicht in der artige Dinge verwickelt werden.«
Tante Pol kehrte zu ihnen zurück. Die beiden cherekischen Krieger auf Grinnegs Haus, die sie begleitet hatten, waren mit Päckchen beladen und sahen damit recht unbehaglich aus.
»Was macht ihr hier?« fragte sie Silk.
»Wir haben gerade ein Stück tolnedrischer Politik hautnah miterlebt«, erwiderte Silk und deutete auf den toten Mann.
»Gift?« fragte sie, als sie Radans verrenkte Glieder bemerkte.
Silk nickte. »Ein äußerst eigenartiges. Es scheint erst zu wirken, wenn man sich aufregt.«
»Athsat«, sagte sie mit betrübtem Nicken.
»Du hast schon davon gehört?« Silk schien überrascht.
Sie nickte. »Es ist ziemlich selten und sehr teuer. Ich hätte nicht gedacht, daß die Nyissaner bereit sind, etwas davon zu verkaufen.«
»Ich denke, wir sollten hier verschwinden«, schlug Hettar vor. »Dort kommt ein Trupp Legionäre. Vielleicht wollen sie Zeugen befragen.«
»Gute Idee«, sagte Silk und führte sie auf die andere Seite des Marktes.
In der Nähe der Häuserzeile, die den Markt auf dieser Seite begrenzte, trugen acht stämmige Männer eine tiefverschleierte Sänfte. Als die Sänfte näherkam, wurde eine schlanke, juwelengeschmückte Hand lässig durch den Schleier gesteckt und berührte einen der Männer an der Schulter. Sofort blieben die acht stehen und setzten die Sänfte ab.
»Silk«, rief eine Frauenstimme aus der Sänfte, »was machst du denn wieder in Tol Honeth?«
»Bethra?« fragte Silk. »Bist du das?«
Der Schleier wurde zurückgezogen und enthüllte eine üppige Frau, die auf roten Seidenkissen in der Sänfte lag. Ihr Haar war sorgfältig in Locken gelegt, und Perlenschnüre waren hineingeflochten. Ihr rosa Seidengewand lag eng am Körper an, und goldene Ringe und Armreifen steckten an ihren Armen und Fingern. Ihr Gesicht war atemberaubend schön,
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