Zauber der Versuchung: Roman (German Edition)
kühnen Farbkombinationen und wild zusammengestelltem Mobiliar, das jeden Quadratzentimeter ausfüllte, auch ausgestopfte Tiere und seltsame Schnitzereien sowie Statuen aus Bronze und Stein aus exotischen Ländern gestanden hatten, die alle möglichen Götter und mythischen Gestalten darstellten, Erinnerungsstücke aus lang untergegangenen Zivilisationen. Er hatte nie verstanden, wie Helmsley es mit dem Chaos aushielt, geschweige denn es mochte. Aber anscheinend hatte er es durchaus, während seine frisch angetraute Frau es nicht konnte. Jetzt sah Helmsleys Bibliothek, nun ja, wie eine Bibliothek aus. Die Bücherregale waren geordnet und zugänglich, ebenso wie der Schreibtisch, die Sessel, Stühle und der Teppich. All das mochte sich vorher auch schon in dem Raum befunden haben, war allerdings nicht zu sehen gewesen. »Ich erinnere mich gar nicht, dass es hier letztes Mal einen Kamin gab.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Das letzte Mal, als du hier warst, war ich noch nicht mit einer Frau verheiratet, die es als ihre oberste Pflicht erachtet, mein Leben zu organisieren.« Helmsley nickte zu zwei Statuen, die rechts und links neben der Tür standen: zwei lebensgroße Nubier mit gekreuzten Speeren. »Sie erlaubte mir, die beiden zu behalten. Ich gebe zu, sie sind mir richtig ans Herz gewachsen.«
»Sehr hübsch«, murmelte Gideon.
»Ich muss sagen, die Ehe ist ein seltsamer und einzigartiger Zustand. Wahrscheinlich weil sie zwischen Männern und Frauen stattfindet.« Helmsley trank nachdenklich von seinem Whisky. »In vielerlei Hinsicht denken wir beide recht ähnlich, und dennoch betrachten wir die Welt aus zwei vollkommen unterschiedlichen Perspektiven.«
»Das hätte sogar ich dir vorher verraten können.«
»Hättest du, aber Beobachten ist nicht dasselbe wie erleben.« Helmsley zuckte mit den Schultern auf eine wissende Art, wie es niemals jemand versuchen sollte, der dabei einen Morgenmantel trug. »Ich sage dir, es ist ganz etwas anderes, Verheiratete zu sehen, als selbst mittendrin zu stecken.«
Gideon sah ihn fragend an. »Dann bist du jetzt also ein Fachmann geworden in... was? Seit sechs Wochen seid ihr nun in trauter Zweisamkeit verbunden.«
»Die Quantität der Zeit ist nicht entscheidend«, sagte Helmsley leichthin. »Auf die Qualität der gemeinsamen Stunden kommt es an.«
»Tja, dann darfst du deine neue Weisheit gern nutzen.« Gideon wappnete sich innerlich, bevor er bat: »Hilf mir, Jonathon. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
Sofort wurde die Stimmung deutlich ernster.
»Es geht um Judith, nicht wahr?«
»Ja, es geht um Judith«, antwortete Gideon, und da es ihm unmöglich war, still dazusitzen, sprang er auf und begann, im Zimmer auf- und abzugehen. »Über wen sollten wir wohl sonst reden?«
»Nun, Lady Braxton ist...«
Gideon brachte ihn mit einem strengen Blick zum Verstummen.
»Ja, natürlich. Blöd von mir.« Helmsley grinste. »Entschuldige.«
»Du kennst Judith besser als irgendjemand sonst, abgesehen vielleicht von Lady Dinsmore.«
»Kann sein.« Helmsley atmete aus. »Und dennoch, trotz unserer langen Bekanntschaft, würde ich beinahe behaupten, dass ich sie gar nicht kenne.« Er sah Gideon an. »Aber ich kenne dich.«
Gideon runzelte die Stirn. »Und?«
»Und ich frage mich, was zwischen euch beiden vorgefallen sein mag, dass du jetzt hier bist. Auf der Party habe ich nichts Ungewöhnliches bemerkt oder gehört, deshalb gehe ich davon aus, dass Lady Braxtons Plan nicht von Erfolg gekrönt war.«
»Nein, war er nicht.«
Helmsley sah ihn verwundert an.
»Jedenfalls nicht von dem Erfolg, den sie sich ausmalte. Ihre Intrige veranlasste mich jedoch, eine Bemerkung zu machen, die letztlich zu einer unschönen Auseinandersetzung zwischen Judith und mir führte.« Gideon konnte immer noch nicht glauben, wie unendlich dumm und vor allem arrogant seine Äußerung gewesen war. »Ich sagte, ich hätte ihr ihre vergangenen Indiskretionen verziehen.«
Helmsley schien für einen kurzen Moment entsetzt, bevor er ungläubig flüsterte: »Das hast du nicht!«
»Ich habe, und du brauchst mich nicht so anzusehen. Ich habe mich selbst schon hinreichend dafür geohrfeigt, vielen Dank. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass ich es nicht so meinte, wie es sich anhörte. Dass ich weniger meinte, ich hätte ihr vergeben, als vielmehr, ich könnte darüber hinwegsehen .«
Helmsley bekam einen Hustenanfall, weil er gerade an seinem Whisky genippt hatte.
»Ja, ja, ich weiß! Das war fast
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