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Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Zehnter Dezember: Stories (German Edition)

Titel: Zehnter Dezember: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Saunders
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nur zu viel.
    Damals mit den Kätzchen hatten Brianna und Jessi ihn einen Mörder genannt, worüber sich Bo furchtbar aufregte, und Jimmy hatte gebrüllt: »Hört mal, Kinder, ich bin auf einer Farm groß geworden, und da muss man tun, was zu tun ist!« Dann, im Bett, hatte er geweint und gesagt, die Kätzchen hätten auf dem ganzen Weg zum Teich in der Tüte miaut, und er wünschte, er wäre nie auf einer Farm groß geworden, und beinahe hätte sie gesagt: »Du meinst, in der Nähe einer Farm« (sein Dad hatte außerhalb von Cortland eine Autowaschanlage gehabt), aber manchmal, wenn sie zu klugscheißerisch wurde, machte er diese Sache an ihrem Arm, wo er sie fest reinkniff und dann quer durchs Schlafzimmer tanzen ließ, als wäre die Stelle, wo er sie kniff, ihr Henkel oder was, und die ganze Zeit sagte: »Ich weiß nicht, ob ich ganz richtig verstanden habe, was du gerade zu mir gesagt hast.«
    Drum hatte sie damals nach den Kätzchen bloß gesagt: »Ach, Schatz, du hast getan, was zu tun war.«
    Und er darauf: »Ja, das hab ich wohl, aber es ist echt nicht leicht, Kinder richtig zu erziehen.«
    Und dann, weil sie ihm nicht durch Klugscheißerei das Leben schwerer gemacht hatte, hatten sie dagelegen und Pläne gemacht, so, wir könnten doch hier alles verkaufen und nach Arizona gehen und eine Autowaschanlage kaufen, wir könnten doch den Kids Lern spielend buchstabieren kaufen, wir könnten doch Tomaten pflanzen, und dann waren sie langsam ins Herumbalgen gekommen, und dann (sie wusste gar nicht, warum sie sich das so gemerkt hatte) hatte er so ein, während er sie ganz fest umarmt hielt, so ein plötzliches Lachen/Verzweiflungsschnauben in ihre Haare hinein ge macht, wie ein Niesen oder als müsste er gleich heulen.
    Was ihr das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein, dass er sich das bei ihr traute.
    Also was sie heute Abend richtig toll fände? Den Welpen verkauft kriegen, die Kids früh ins Bett stecken, und dann, wenn Jimmy merkte, sie hatte das mit dem Welpen voll gemanagt, konnten sie noch rummachen und nachher daliegen und Pläne schmieden, und er konnte wieder dieses Lachen/Schnauben da machen, in ihre Haare hinein.
    Warum ihr das Lachen/Schnauben so viel bedeutete, null Ahnung. War wohl eine der komischen Seiten von dem »Wunder namens Callie«, hahaha.
    Draußen sprang Bo auf die Füße, plötzlich neugierig, weil (jetzt geht’s los) eben gerade die Dame, die angerufen hatte, vorfuhr?
    Jawoll, und noch dazu in einem schicken Auto, sprich: Mist, dass sie »billig« in die Anzeige geschrieben hatte.
    Abbie quäkte: »Den find ich süß, Mommy, den will ich!«, als der Welpe trübe aus seinem Schuhkarton hochsah und die Dame des Hauses wegschlurfte und eins-zwei-drei-vier eben mal vier Hundehäufchen vom Teppich klaubte.
    Na wow, dachte Marie, was für ein super Ausflug für die Kinder, haha (der Dreck, der Schimmelgeruch, das trockene Aquarium mit der einbändigen Enzyklopädie drin, die Pastaschüssel im Bücherregal, aus der aus unerfindlichen Gründen eine aufblasbare Zuckerstange ragte), und obwohl sich manch einer mit Grausen gewendet hätte (angesichts des Ersatzreifens auf dem Esstisch und der tristen Mutterhündin, vermutlich die Kackerin des Hauses, die ihr Hinterteil über einen Stapel Kleider in der Ecke zog und sich dann mit gespreizten Hinterbeinen und einem tumb-genüsslichen Gesichtsausdruck darauf niederließ), wurde Marie klar (während sie den Drang, zur Spüle zu laufen und sich die Hände zu waschen, unterdrückte, teilweise auch, weil in der Spüle ein Basketball lag), dass das hier vor allem eines war, nämlich todtraurig.
    Bitte fasst nichts an, bitte nichts anfassen , sagte sie zu Josh und Abbie, aber nur in ihrem Kopf, die Kinder sollten miterleben, wie demokratisch und offen sie war, und nachher konnten sie sich alle in dem halb umgebauten McDonald’s gründlich die Hände waschen, solange sie sich bitte bitte einfach nicht die Hand in den Mund steckten oder, Gott behüte, die Augen rieben.
    Das Telefon klingelte, und die Dame des Hauses stapfte in die Küche und legte die zierlich gehaltenen und appetitlich in Haushaltsrolle geschlagenen Hundehäufchen auf die Arbeitsfläche .
    »Mommy, den will ich«, sagte Abbie.
    »Ich geh bestimmt so zweimal am Tag mit ihm raus«, sagte Josh.
    »Sag nicht ›so‹«, sagte Marie.
    »Ich geh bestimmt zweimal am Tag mit ihm raus«, sagte Josh.
    Na schön, na gut, dann würden sie eben einen Hund von ungepflegten weißen Asozialen adoptieren.

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