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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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großen Gefallen bitten? Leihst du mir deine Strümpfe? Ich weiß, es ist dein letztes Paar.«
    »Du kannst meine Strümpfe haben, Süße. Mein Beitrag zu den Kriegsanstrengungen. Aber das muss gefeiert werden. Hol du den Gin und die Marmeladengläser, ich suche die verdammten Strümpfe.«
    Helena nippte bereits an ihrem Gin, als Nick mit grotesk herabgezogenen Mundwinkeln in die Küche kam.
    »Schlechte Neuigkeiten, Süße. Komm mal mit!«
    Helena folgte Nick in das kleine, enge Bad. An der Vorhangstange über der Wanne hing ein leerer Kleiderbügel. Helena warf Nick einen Blick zu, und Nick deutete feierlich auf den Wannenboden. Helena beugte sich hinunter und starrte auf ein Häufchen Staub.
    »Die Strümpfe sind offenbar in eine bessere Welt hinübergegangen«, sagte Nick.
    »Um Gottes willen!« Helena sah zu ihrer Cousine auf. »Sie haben sich aufgelöst? Das ist wirklich … tragisch.«
    »Genau.«
    »Was machen wir denn jetzt?«
    »Ich finde, sie sollten ein ordentliches Begräbnis bekommen.«
    »Das gebietet die christliche Nächstenliebe«, sagte Helena.
    »Ich bereite draußen alles vor, und du kümmerst dich um die Trauermusik. Sie sollten ja schließlich dir gehören, Süße.« Nick hob das Staubhäufchen aus der Wanne und ließ es in ihren ausgebreiteten Rock fallen.
    Helena suchte eine Platte aus und setzte, als Nick ihr vom Garten her zunickte, die abgenutzte Nadel auf den Schellack.
    Als die Musik aus dem Fenster drang, warf Nick lauthals lachend den Kopf zurück.
    »Ach, Helena, ich liebe dich!«, rief sie. »Die ›Mondscheinsonate‹ – du bist wirklich unschlagbar!«
     
    Helena öffnete die Augen. Einen Moment lang glaubte sie, allein zu sein. Das Zimmer wirkte so leer. Ihre Handflächen juckten, ihre Fußsohlen juckten, alles tat weh. Das Kissen war durchnässt. Hatte sie denn geweint? Dann roch sie Zigarettenrauch. Ihr wurde übel davon. Und hinter ihr schniefte jemand.
    »Ja, ich habe ihn ausfindig gemacht. Es war so erbärmlich – er haust mit irgendeiner Nutte in einem Drecksloch in der Stadt. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er aufschloss! So unglaublich arrogant, als hätte er mich erwartet.«
    Helena hielt den Atem an. Die Hexe sprach von Avery. Jetzt musste sie ganz genau zuhören, sie durfte nicht wieder einschlafen.
    »Wir müssen das Cottage verkaufen, Hughes. Nein, wir können es uns nicht leisten. Er hat seinen Preis genannt, und ich habe ihn akzeptiert. Es war nichts mehr zu machen. Sie kann vom Rest leben. Schließlich müssen wir noch die Klinik und Eds Internat bezahlen.«
    Helena überkam eine tiefe Ruhe; Avery hatte das Geld bekommen. Jetzt würde er zu ihr zurückkehren. Alles würde gut werden.
    »Was bleibt uns denn übrig? Die Sache macht mich fertig, das kannst du mir glauben. Ich könnte den Kerl umbringen. Und das Allerschlimmste ist, dass er letztlich gekriegt hat, was er wollte. Und hör mir bloß auf mit diesem widerlichen Fox! Das Geld für das Cottage meines Vaters geht direkt in seine Tasche. Erinnerst du dich an das Getue wegen dieser ›Sammlung‹? Na, du hättest den traurigen kleinen Garagenflohmarkt in ihrem Haus sehen sollen. Wie ein Heiligenschrein, einfach widerwärtig.«
    Sie schniefte.
    »Ich kann mir einfach nicht verzeihen, dass ich sie diesem Mann überlassen habe.«
    Die Hexe mit ihrem scheinheiligen Selbstmitleid – als hätte sie Helena nicht schon längst vollkommen vernichtet, wenn Avery nicht gewesen wäre!
    »Hast du dich um die Termine gekümmert? Ja, und was hat Dr. Monty gesagt? Ich weiß, dass Dr. Monty ein Idiot ist, Hughes, aber er ist unser Idiot. Zumindest ist sie dann in einer anständigen, angesehenen Klinik, wo man ihr wieder auf die Beine hilft.«
    Was hatte sie jetzt vor? Avery würde nie zulassen, dass man sie wegbrachte. Sie durfte sich nicht aufregen.
    »Darüber reden wir, wenn ich zurück bin. Was haben sie im Internat gesagt? Ach, du meine Güte, das ist doch nur Jungsgehabe! Du behandelst ihn zu streng. Doch, doch. Der arme Junge hat die ganze Zeit darauf gewartet, dass ihn zu Ferienbeginn jemand abholt, und kein Mensch kam. Wer würde denn da nicht ein bisschen Rabatz machen?«
    Ed, ihr Baby. Sie sprach von Ed. Aber welche Ferien? Schulferien. Ein Flugschein für Ed. Damit er nach Hause fliegen konnte. War denn schon Thanksgiving? O nein, sie hatte schon wieder versagt. Wie konnte sie nur so dumm sein? Aber Ed war gemein zu ihr gewesen. Und er hatte versucht, Averys Projekt zu zerstören. Aber es war

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