Zeitbombe
mit Blick darauf.
Lenz gab ihm mit einem Wink zu verstehen, dass er die Taschenlampe ein wenig höher halten solle.
»Friederike … Humpe«, las er stockend.
Beide dachten kurz nach.
»Friederike«, sinnierte Hain danach laut, »als Name für einen Jungen finde ich schon brutal.«
»Ja, das hab ich gerade auch gedacht.«
Dann drehte er sich um und wandte sich der Frau unter der Lok zu.
»Sind Sie ganz sicher, dass es sich bei dem Toten um einen Mann handelt, Frau Weber?«, fragte er laut in ihre Richtung.
»Wenn Sie wollen«, kam es ebenso gedämpft wie zuvor von unten, »kann ich Ihnen den Beweis dafür gern in die Hand drücken. Oder Sie bewegen Ihren Luxuskörper neben meinen und schauen den Überresten des Guten selbst in die Unterhose.«
Lenz fischte ohne zu antworten die nächste Karte aus dem Ledereinband. Diesmal die Kreditkarte einer großen Privatbank, ebenfalls blutbeschmiert. Hain lenkte den Strahl der Lampe auf das rot-golden schimmernde Stück Plastik.
»Wolfram Humpe«, las der junge Polizist, bevor er schockiert zusammenzuckte und mit der linken Hand den Mund bedeckte.
»Was ist los, Thilo?«, wollte sein Kollege irritiert wissen. »Kennst du den Mann?«
»Scheiße!«, schrie Hain nun laut auf. »Wolfram Humpe, Paul. Wolfram Humpe!«
Lenz brauchte ein paar Sekundenbruchteile, bis er den Schockzustand, in dem sich sein Kollege befand, verstanden hatte. Dann realisierte er, dass er die Brieftasche von Hauptkommissar Wolfram Humpe in der Hand hielt, Leiter von K12, dem Kommissariat für Sittendelikte des Polizeipräsidiums Nordhessen.
8
Bernd Zimmermann sah auf seine Armbanduhr, danach warf er einen Blick auf die im Armaturenbrett angebrachte Digitaluhr.
Viertel vor drei.
Neben ihm schlief sein Kollege Chris Neuner. Wenigstens schnarcht er nicht, dachte Zimmermann. Wieder fiel sein Blick auf die Uhr in der Mitte des Cockpits, aber die grünlich schimmernden Ziffern der Digitalanzeige hatten sich seit seinem letzten Hinsehen nicht verändert. Doch, jetzt sprang die letzte Zahl um. Aus der 45 wurde eine 46. Der Oberkommissar wäre am liebsten aus dem Wagen gesprungen, ins Haus gestürmt und …
Seit mehr als vier Wochen hatte er immer und immer wieder denselben Tagtraum. Er prüfte, ob seine Dienstwaffe geladen war, stieg langsam aus dem Opel Vectra, dessen Armaturenbrett er mittlerweile fotorealistisch und aus dem Gedächtnis hätte zeichnen können, ging gemessenen Schrittes auf den anonymen Wohnbunker gegenüber zu und drückte sanft mit dem rechten Zeigefinger auf den Klingelknopf neben der Aufschrift Rüdiger Bornmann. Der verurteilte Verbrecher würde sich über die Sprechanlage melden.
Die Post, stellt Zimmermann sich vor. Ein Einschreiben. Bornmann drückt auf den Summer, die Tür öffnet sich, und der Polizist fährt mit dem Lift in den fünften Stock. Dort hat der Mörder gerade die Tür geöffnet und sieht erwartungsvoll in den Hausflur, über den Zimmermann freundlich lächelnd auf ihn zukommt, die Pistole zieht und ohne Vorwarnung abdrückt. Peng, peng, peng. Drei Schüsse. Zwei in den Oberkörper, den letzten in den Kopf des Sterbenden. Wie in einem Mafiafilm. Umdrehen, weggehen, Feierabend.
»Verdammt, ist das heute Nacht wieder heiß«, hörte er eine Weile später von der Seite. Chris Neuner, sein Kollege, hatte die Augen aufgeschlagen und sah ihn verpennt an.
»Dann zieh halt deine blöde Jacke aus«, keifte Zimmermann zurück.
Neuner holte tief Luft und wischte sich mit der flachen Hand über die klebrige Stirn.
»Da hat aber jemand schlechte Laune«, bemerkte er ruhig.
Zimmermann streckte die Beine durch, schloss die Augen und schluckte.
»Wir sitzen Tag für Tag oder Nacht für Nacht hier rum und bewachen ein Phantom. Da soll man keine schlechte Laune kriegen?«
»He, Bernd, bleib cool. Der Typ muss observiert werden, also observieren wir ihn. Das ist ein Auftrag wie jeder andere.«
Der Mann hinter dem Lenkrad sah seinen Kollegen an wie einen Besucher aus dem All.
»Du spinnst wohl? Ein Auftrag wie jeder andere. Das ist doch gequirlte Kacke. An dieser Scheiße ist nichts, aber auch gar nichts normal. Wir müssen einen Krüppel bewachen, der zu blöd ist, 100 Meter weit zu gehen, ohne auf die Fresse zu fallen. Und das nur, weil ein paar Talarträger irgendwo im Froschfresserland sich das so ausgedacht haben, die zu allem Überfluss von der Realität nicht die Bohne verstanden haben.«
Der Polizist war dabei, sich formidabel in Rage zu
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