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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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gemeinsam Tee getrunken und geplaudert, Friderike hatte Elisabeth den anderen Frauen vorgestellt. Man hatte sie aufgenommen wie eine alte Bekannte. Nachdem Anita Augspurg den Raum betreten und reihum die Anwesenden begrüßt hatte – es waren mindestens fünfzig, so schätzte Elisabeth –, herrschte eine erwartungsvolle, ausgelassene Stimmung. Als Elisabeth der großgewachsenen Frau vorgestellt wurde, hatte sie für eine Sekunde das Gefühl, ihr Vater beobachte sie aus einer Ecke des Raumes, und sie wünschte sich ganz weit weg. Aber als sie den festen Händedruck spürte, fühlte es sich gut und richtig an. »Ich habe auf Sie gewartet«, sagte Anita Augspurg strahlend zu Elisabeth, die ihre Verblüffung nicht verbergen konnte. Augspurg lachte: »Nein, nein, nicht persönlich auf Sie, aber darauf, dass endlich auch junge Frauen zu unserem Kreis stoßen und nicht nur diese alten Schachteln, die immer schon dabei sind.« Ihre Augen blitzten in die Runde, als sie hinzufügte: »Lauter alte Weiber, die die fünfundzwanzig schon hinter sich und immer noch keinen Mann abbekommen haben!« Ein vielstimmiges »Oh! Oh! Oh!« erscholl im Raum, das in befreites Gelächter überging. Elisabeth spürte, dass sie genau dort war, wo sie immer schon hingewollt hatte. Ihr war fast schwindelig vor Glück.
    »Ich weiß nicht, ob alle von euch die Rede des Kaisers kennen, die er zum sogenannten ›Tag der Frauen‹ seinen Untertanen ins Stammbuch geschrieben hat«, begann Anita Augspurg ihre Rede, nachdem man sich gesetzt hatte. »Wer sie kennt, möge mir verzeihen, sie erneut ertragen zu müssen. Wer sie nicht kennt, sollte aber erfahren, welch ein Brei in diesem Hirn unter der goldenen Pickelhaube wabert.« Einige quietschten vor Vergnügen auf. »Also, der große Mann ist der Meinung, wir Frauen sollten lernen, dass unsere Aufgabe nicht auf dem Gebiet des Versammlungswesens und Vereinswesens liegt, nicht in den Bereichen von vermeintlichen Rechten, in denen wir es den Männern gleichtun können, sondern in der stillen Arbeit im Hause und in der Familie. So hat er wörtlich gesagt.« Sie blickte in die Runde und hob die Hand, um aufkommende Unmutsäußerungen zu unterbinden. »Sparteuch eure Kommentare, es kommt nämlich noch besser. Er hat sich noch einen besonders tollen Satz einfallen lassen. Der lautet: Echte Männlichkeit für den Mann, echte Weiblichkeit für die Frau. Was er darunter versteht, muss ich wohl nicht erst erläutern, oder?«
    »Doch«, riefen einige, »man kann es gar nicht oft genug hören!«
    Die Referentin wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Liebe Freundinnen, ich bin die Letzte, die einer glücklich verheirateten Frau ihren Gatten schlechtreden will. Dummerweise kenne ich keine glücklich verheiratete Frau. Und das liegt nicht an mir. Auch nicht an den Frauen. Sondern an Männern wie unserem lieben Wilhelm, der Gesetze macht, in denen steht, was er unter echter Weiblichkeit versteht: Wir dürfen keiner Partei beitreten, kein eigenes Geld haben, keine Arbeit annehmen ohne die Erlaubnis des Ehemannes, wir dürfen nicht selbst unsere Kinder zur Schule anmelden. Wir sind nicht einmal berechtigt, über unseren Körper selbst zu entscheiden: Der Mann bestimmt, wie viele Kinder er will und wann. Das ist sein kaiserlich verbrieftes Recht!«
    Jetzt herrschte eine so aufmerksame Stille im Raum, wie Elisabeth sie noch nie erlebt hatte. »Dass die Männer in der Politik immer nur unter sich sind, haben wir ihnen zum Teil ja schon ausgetrieben: Immerhin dürfen wir seit neuestem als Zuhörer ins Parlament!«, rief die Rednerin. »Ist das nicht großartig – als Zuhörer!! Aber es schmeckt ihnen natürlich überhaupt nicht, wenn wir dabei sind, das ist klar. Sie würden am liebsten immer unter sich sein. Bis auf eins: Ich habe noch nie gehört, dass sie uns auch im Ehebett nicht dabeihaben wollen. Aber natürlich beanspruchen sie auch dort die alleinige Führerschaft, so als ginge es uns im Grunde gar nichts an, als wären wir gar nicht dabei …«
    Augspurg hob die Hand, um erneutem Gelächter Einhalt zu gebieten, und fuhr fort: »Ich weiß, es tut gut, sich die Angst und Wut von der Seele zu lachen. Und die meisten von uns haben Angst vor ihnen. Berechtigte Angst. Denn so lächerlich sie in ihrer Eitelkeit und Dummheit sind, so gefährlich und rücksichtslos sind sie, wenn nicht alles sofort nach ihrem Willen geht. Ihrgroßes Idol hat es auf den Punkt gebracht: Man soll mich nicht lieben, man soll mich fürchten,

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