Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
wurde, von Lebensmitteln über Kleidung und Haushaltskram bis hin zu frisch zubereiteten heißen Mahlzeiten. Leckerer Grillduft ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, jedenfalls so lange, bis mir ein widerlicher Gestank entgegenwehte: Gleich unterhalb der Brücke hatte ein größeres Boot angelegt, in das mehrere Männer fässerweise glitschigen Abfall kippten, inklusive ein paar toten Ratten. Anscheinend war das die hiesige Müllabfuhr.
Gleich darauf blieb ich stehen und unterdrückte einen Fluch. Ich hatte mich ablenken lassen! Bart war verschwunden! Erst nach ein paar Schrecksekunden erspähte ich ihn wieder. Er ging in Richtung Markusplatz und ich schlich ihm hinterdrein, schwitzend, schwer atmend und mit klopfendem Herzen.
Die ganze Zeit betete ich, dass er nicht plötzlich doch noch an einem der vielen Kanäle stehen bleiben und in eine Gondel steigen würde, dann wäre es vorbei mit meiner heimlichen Verfolgungsjagd. Doch zu meiner Erleichterung geschah das nicht. Sein Weg endete in einer winzigen Gasse gleich hinter der Basilika. Dort blieb er vor einem Laden stehen, über dessen Tür ein Schild hing. Es sah genauso aus wie in der Zukunft, als ich mit Matthias hier gewesen war. Nur dass ich jetzt dank meines inneren Zwangstranslators lesen konnte, was darauf stand:
Masken und Kostüme .
Regungslos wartete ich an der Einmündung der Gasse und beobachtete, wie Bart den Laden betrat und die Tür hinter sich schloss. Aufmerksam betrachtete ich das Gebäude. Anders als bei meinem letzten Besuch gab es kein Schaufenster mit ausgestellter Ware, nur das kunstvoll gemalte Schild und für alle, die nicht lesen konnten, eine Maske, die über dem Türklopfer an die Pforte genagelt war.
Unglaublich, wie lange sich dieser Laden gehalten hatte! Sogar noch länger als das Caffé Florian an der Piazza, und das war schon steinalt. Die Venezianer hatten es wirklich mit der Tradition! Und was für ein verrückter Zufall, dass Bart hier zu tun hatte!
Zögernd blieb ich vor der Tür stehen, unschlüssig, ob ich klopfen oder einfach hineingehen sollte, um Bart zur Rede zu stellen.
Schließlich entschied ich mich für die höfliche Variante und betätigte den Türklopfer, der wie ein Löwenkopf gestaltet war.
Ich wartete und klopfte dann noch einmal. Als ich schon fürchtete, es werde niemand kommen, weil Bart und alle anderen da drin sich längst durch die Hintertür davongemacht hatten, hörte ich Schritte. Im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet und ich sah mich Auge in Auge dem Mann gegenüber, der mich aus dem Canal Grande in die rote Gondel gezogen und mit in die Vergangenheit genommen hatte.
Sebastiano erschrak sichtlich, als er mich sah. Es war Balsam für meine Seele, ihn zusammenzucken zu sehen.
»Es trifft sich gut, dass du zu Hause bist«, sagte ich lässig. Es hätte bestimmt noch cooler gewirkt, wenn ich nicht den blöden sperrigen Holzkübel hätte halten müssen.
»Wer ist da?«, kam Barts Stimme von drinnen.
»Drei Mal darfst du raten«, sagte Sebastiano. »Du solltest öfters mal hinter dich schauen, mein Freund.« Ärger war in seiner Miene zu lesen.
Ich war drauf und dran, eine pampige Bemerkung zu machen, doch dann fiel mir ein, dass es besser war, sich gut mit dem Typen zu stellen. Schließlich hatte er die Oberherrschaft über die Zeitmaschine, wenn ich alles richtig verstanden hatte.
»Ich möchte hier wirklich niemanden belästigen«, erklärte ich. »Eigentlich wollte ich einfach nur mal vorbeischauen. Und dich fragen, ob du vielleicht eine klitzekleine Minute Zeit für mich hast.« Ich hielt einen Finger hoch. »Wirklich nur eine. Um das ganze … Prozedere zu besprechen. Du weißt schon.«
Bart tauchte hinter ihm im Türrahmen auf. Als er mich sah, schaute er betreten drein. »Verdammt«, sagte er. »Das ist meine Schuld.«
»Schon gut«, sagte Sebastiano. Er trat auf die Gasse hinaus. »Ich bringe sie zurück.«
»Oh, super«, sagte ich erleichtert. Endlich! Es ging nach Hause! Mehr interessierte mich nicht. Morgen wäre alles nur noch ein böser Traum. Ich würde Vanessa im ICQ erzählen, dass ich in den Kanal gefallen war und von dem stinkenden Wasser komische Halluzinationen gekriegt hatte. Sobald ich mir alles von der Seele geschrieben hätte, würde ich selbst daran glauben, dass ich mir diese ganze Geschichte nur eingebildet hatte, und alles war gut.
Verstohlen musterte ich Sebastiano von der Seite. Im Gegensatz zu Bart hatte er sich nicht herausgeputzt und rasiert war
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