Zeitreise ins Leben (German Edition)
ich mir vor wie ein Pferd, das gezähmt werden sollte und den Stärkeren zu akzeptieren hatte . Es war entwürdigend und eine Niederlage durch und durch. Dabei verstand ich die Welt nicht mehr. Was hatte ich denn bi t teschön verbrochen, um solch eine abartige Behandlung zu ve r dienen?
„ Lasst mich gehen, Herzog, bitte “, flüsterte ich und die Tränen kamen ganz automatisch und nicht etwa aus Berechnung. „Bitte, wenn Ihr nur einen Funken A n stand besitzt, dann ...“ Ich stockte und Rabenhof lockerte zum ersten Mal seinen Griff. Sein Blick veränderte sich, wurde bewegter. Selbst seine Gesichtszüge erschienen mir weicher, als würde er langsam die Maske der Wut und des Kampfes ab streifen. Seine Augen wanderten rastlos über mein G e sicht, als wäre er verwirrt oder würde etwas suchen. Doch viel mehr bekam ich von ihm nicht mit, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt, nicht total loszuheu len. Immer noch rechn e te ich mit dem Schlimmsten und fühlte mich hundeelend. Aber mein weinerlicher Zustand schien bei ihm etwas zu bewirken, denn er lockerte noch einmal seinen Griff und rückte e t was von mir ab. F ür einen kurzen M o ment konnte ich sogar das Aufflackern von Wärme in seinen Augen sehen , e he er wieder seine Maske aus Arroganz und Stärke wählte. Doch in der kurzen Zeit war etwas Entscheidendes passiert, das konnte ich fühlen. Rabenhof hatte eine Entscheidung getrof fen, dessen war ich mir sicher, denn plötzlich kam Leben in seinen kraf t vollen Körper und er stemmte sich ges chickt in die Höhe. Dabei ließ er mich keine S e kunde los , sondern zog mich mit Schwung ebenfalls zu sich h er auf. Mit etwas Mühe ve r suchte ich bei der Schnelligkeit das Gleichgewicht zu halten, doch im Prinzip hielt er mich sowieso viel zu fest, um wirklich ins Straucheln zu geraten . Seine Körperbeherrschung war beeindr u ckend, sein Vorgehen dennoch brutal. Er sprach kein Wort, wandte sich zielsicher der nächstbesten Türe zu und zog mich dabei so rücksichtslos hinter sich her, dass ich kaum Schritt ha l ten konnte. Mit einem tiefen Knurren öffnete er die Türe und stieß mich in den nächstbesten, großen Stuhl. Ich versuchte erst gar nicht mich zu wehren oder etwas zu s a gen , denn seine Einschüchterungstaktik am B o den hatte vollen Erfolg gezeigt .
„Sie!!! “, fluchte er laut , als er nebenbei eine der Fackeln im Raum entzündete und die Türe mit dem Fuß zustieß. „ Sie bringen mich vollkommen um den Verstand “, rief er und seine Stimme zitterte vor verhaltener Wut. Er war stocksauer, d och ich verstand überhaupt nicht warum ic h an all dem Schuld haben sollte . Entsprechend a h nungslos sah ich ihn an.
„Und – Herrgott, noch einmal – seh en Sie mich gefälligst nicht so an “, brüllte er laut und so zornig, dass es mir Mühe kostete , Haltung zu wahren. Das alles hier war die reinste Apok a lypse und selbst wenn sich seine Einstellung in dieser verrückten Situation verändert und er womöglich eine Entscheidung zu meinen Gunsten getroffen hatte, so war noch nicht klar, WAS genau das für mich bedeute te .
„Sagt mir doch endlich worum es hier geht “, forderte ich ihn daher ohne Umschweife auf und schaffte es, meine Stimme ruhig und besonnen klingen zu lassen. Der Effekt war gerad e zu umwerfend, denn meine Stimme wirkte auf ihn wie ein schweres Beruhigungsmi t tel. Sein Ausdruck wandelte sich, wurde sanfter. Z um ersten Mal, in dieser vermaledeiten Nacht, wir k te er nicht herrisch oder aufbrausend, sondern nur erschöpft und ni e dergeschlagen.
„Tja, wie soll ich das sagen? Ihr seid Teil eines Plans, Elisabeth. Nur, dass Ihr nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle“, ergänzte er leise und schüttel te dabei den Kopf, als könne er si ch selber nicht verstehen. Wie also bitte hätte ich das tun sollen? Richtig wäre sicher gewesen, meine Wut zu schüren und kampfbereit zu sein, doch seine neue, g e knickte Haltung bewirkte etwas ganz anderes in mir. Es war unverständlich, wenn nicht sogar dumm, doch er schaffte es wieder, mich um den Finger zu wickeln. Irgendwie rührte er an mein Herz, obgleich mein Verstand wild tobte und sich verzweifelt gegen ein Gefühl wehrte , das so una n gebracht schien. Ich wollte Rabenhof nicht mehr entkommen oder gar verletzen , denn nun stand ich auf und ging auf ihn zu, um ihn zu verstehen
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