Zeitreisende sterben nie
dunklem Haar, einer der Studenten, die sich im hinteren Bereich aufhielten, ließ sich von seinen Kameraden überreden, auf der Klavierbank Platz zu nehmen. Seine Finger tanzten über die Klaviatur. Sofort war klar, dass er recht gut war. Begleitet vom Jubel seiner Freunde spielte er »These Foolish Things«. Währenddessen betrat Huxley das Lokal, und Shel stand auf, durchquerte den Raum, blieb abrupt stehen und tat, als wäre er höchst erstaunt, den Schriftsteller vor sich zu sehen, den er, wie er es formulierte, mehr bewunderte als jeden anderen auf der Welt. »Sie sind Aldous Huxley, nicht wahr?«
Huxley lächelte peinlich berührt und nickte. »Ja, der bin ich.« Und: »Hallo.«
»Ich liebe Ihre Bücher«, sagte Shel.
Dave stellte mittlerweise fest, dass der Pianist ihm bekannt vorkam.
»Schöne neue Welt ist herausragend«, schwärmte Shel. »Ich wünschte, ich hätte meine Ausgabe bei mir, dann hätte ich Sie bitten können, sie für mich zu signieren. Darf ich ein Foto von Ihnen machen?«
»Nun...« Huxley zögerte und sah sich zu seinen drei Begleitern um. »Natürlich.«
»Dave? Wir brauchen die Kamera.«
Der Pianist war am Ende des Stücks angelangt und machte mit »In the Moonlight in the Chapel« weiter.
Dave zog seinen Gooseberry hervor und winkte Shel zu, dichter an Huxley heranzurücken, sodass er beide gleichzeitig fotografieren konnte.
»Sagen Sie«, sagte Huxley, »was für eine Art Kamera ist denn das?«
»Das neueste Modell«, sagte Shel.
Dave schoss das Foto. Und noch zwei weitere.
»Darf ich sie mal sehen?«
Dave rief das erste Bild auf den Schirm und reichte sie dem Autor. »Das ist das Foto«, sagte Shel.
Huxley war beeindruckt. »Großartig«, sagte er. »Wo bekomme ich so ein Ding?«
Dave überließ Shel den Gooseberry und ging zu dem Pianisten. »Sie haben ein gutes Gespür für das Klavierspiel«, bemerkte er.
Derjunge Mann lächelte. »Danke.« Er war Anfang zwanzig.
»Studieren Sie?«
»Jura. An der Duke.«
»Sehr gut. Damit schaffen Sie einen fliegenden Start.«
Das Lächeln wurde breiter. »Das hoffe ich.«
Eine junge Frau aus seinem Freundeskreis unterbrach ihr Gespräch. »Richard«, sagte sie, »wie wäre es mit Taking a Chance on Love ?«
Richard zwinkerte ihr zu.
»Ich rede von dem Stück.«
»Oh«, sagte er. »Natürlich.« Er zeigte Dave die hochgereckten Daumen, ehe er sich wieder dem Piano widmete.
Dave ging zurück zum Tisch. Shel hatte inzwischen bereits wieder Platz genommen. »Hast du den Burschen erkannt?«, fragte Dave.
»Wen?«
»Den Jungen am Klavier.«
Shel sah sich zu dem Pianisten um und schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Bestimmt nicht?«
»Wer soll das deiner Meinung nach sein?«
»Denk an die Watergate-Affäre.«
Shel bekam große Augen und schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Unmöglich«, sagte er.
Kapitel 30
Auf des Lebens weitem Meer, Segeln taumelnd wir einher, Vernunft ist's, die uns leitet, Doch Leidenschaft in Sturm uns reitet.
Alexander Pope, Essay on Man
Dieser so oder so bemerkenswerte Abend wurde noch denkwürdiger, da dies der Abend war, an dem Dave Sandy Meyers kennenlernte. Sandy war eine von zwei Frauen, die auf der anderen Seite des Restaurants in ein lebhaftes Gespräch vertieft waren. Sie hatte dunkelbraune Augen und üppiges, haselnussbraunes Haar, das im Stil der Zeit zu einer Olympiarolle frisiert war. Und ein Lachen, das Daves Welt erbeben ließ. Shel hatte Dave die Vermutung hinsichtlich des jungen Mannes am Klavier nicht abgekauft. Inzwischen war der Mann wieder bei seinen Freunden, und der Hauspianist war zurück an seinem Platz. Shel ging dennoch zu dem jungen Mann, um mit ihm zu sprechen, während Dave die Frau mit dem elektrisierenden* Lächeln im Auge behielt. Richard nickte ein paar Mal.
Dann stockte Shel offenkundig der Atem, und er fing an, Fotos zu schießen, und da wusste Dave, dass er recht behalten hatte. Aber in diesem Moment wurde sein Leben von etwas beherrscht, das viel wichtiger war.
Zweimal ertappte die Frau ihn dabei, wie er sie ansah. Beim ersten Mal wanderte ihr Blick über ihn hinweg, als wäre er unsichtbar. Ein paar Minuten später passierte es wieder, und dieses wunderbare Lächeln flackerte kurz auf.
Es dauerte nicht länger als ein Wimpernschlag, aber es war da.
Ihre Begleiterin war blond, und die beiden Frauen schienen Kriegsgeschichten auszutauschen. Jede hatte so etwas wie eine Aktentasche neben sich stehen. Zu jener Zeit gab es keine Geschäftsfrauen. Und auch
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