Zentauren-Fahrt
der Ostküste Xanths gen Norden gesegelt, um dort an einem anderen mundanischen Küstenabschnitt an Land zu gehen.«
»Das kann nicht sein«, warf Irene entschieden ein. »Ihre ganze Planung zielte darauf ab, hier herauszukommen. Man hatte eine günstige Handelsmöglichkeit erkundet, und sie folgten der Karte, die der Entdecker benutzt hat. Ich habe die Karte selbst gesehen, und die Strecke führt hier vorbei.«
»Aber wenn du doch gar nicht wußtest…«, fing Dor an.
»Damals wußte ich lediglich nicht, daß sie diese Route entlangreisen wollten«, entgegnete sie. »Aber die Karte, die der Kundschafter mitgebracht hat, und auf der der Reiseweg eingezeichnet war, die habe ich gesehen. Ich weiß erst jetzt, was sie bedeutet hat. Mehr habe ich nicht gesehen, aber ich bin mir absolut sicher, daß sie diesen Weg entlanggekommen sind.«
Dor hatte keine Lust, weitere Einwände vorzubringen. Es war auch das Praktischste: Er hatte den anderen alles gesagt, was er über König Trents Reiseziel wußte, und diese Route widersprach seiner Information keineswegs.
»Könnte es sein, daß man sie abgefangen hat, bevor sie Xanth verließen?« fuhr Arnolde fort. »Wegelagerer, vielleicht?«
»Mein Vater hätte jeden Wegelagerer in eine Kröte verwandelt«, erwiderte sie hitzig. »Außerdem hätte sie die Illusion meiner Mutter innerhalb Xanths unkennbar gemacht.«
»Dann haben wir offenbar das Wahrscheinliche erfolgreich eliminiert«, dozierte Arnolde. »Folglich sind wir nun dazu verpflichtet, das Unwahrscheinliche in Augenschein zu nehmen.«
»Was meint Ihr damit?« wollte Irene wissen.
»Wie ich bereits sagte, habe ich eine etwas unwahrscheinliche Schlußfolgerung im Auge, und es besteht durchaus die Möglichkeit, daß lediglich ein Irrtum vorliegt…«
»Nun spuck’s schon aus, Braunpelz!« sagte Grundy.
»Mein geschätztes großmäuliges Konstrukt, ein Zentaur pflegt nicht auszuspeien. Und meine Farbe ist kein simples, gewöhnliches Braun, sondern Appaloosa.«
Irene merkte allmählich, welche Macht sie über den Zentaur im besonderen und über männliche Wesen im allgemeinen ausüben konnte. »Bitte, Arnolde«, bat sie herzzerreißend. »Es ist mir doch sooo wichtig, alles zu erfahren, was mir helfen könnte, meinen armen verschollenen Vater wiederzufinden…«
»Aber natürlich, liebes Kind«, willigte Arnolde sofort ein und warf sich in eine onkelhafte Pose. »Es ist einfach nur folgendes: Vielleicht ist König Trent ja gar nicht zu dem Zeitpunkt hier vorbeigekommen, an den wir denken.«
»Aber es muß doch während des letzten Monats gewesen sein«, meinte sie.
»Nicht notwendigerweise. Das ist ja gerade der außergewöhnliche Aspekt meiner Hypothese. Er könnte auch vor einem Jahrhundert hier vorbeigekommen sein.«
Jetzt starrten Dor, Irene und Grundy den Zentauren an, um festzustellen, ob er wohl Witze machte. Krach, der Gedankenspielen wenig abgewinnen konnte, beschäftigte sich damit, ab und zu eine Handvoll Sand aufzunehmen und so lange zusammenzudrücken, bis die Mineralien miteinander verschmolzen. Offenbar erlaubten es seine Panzerfäuste ihm, seine Kraft auf eine Weise anzuwenden, wie sie ihm früher niemals möglich gewesen wäre, da selbst das Fleisch eines Ogers immer noch eine Spur weicher war als Stein. Langsam entstand so eine mittlere Sandburg.
»Hast du letzte Nacht vielleicht zufällig mit dem Kopf unter Wasser geschlafen?« wollte der Golem wissen.
»Ich habe, was ich wohl vorhin bereits hinreichend klarifiziert habe, das Phänomen Mundania auf die eine oder andere Weise erforscht«, erwiderte Arnolde. »Ich muß gestehen, daß ich nur Bruchteile dessen weiß, was man darüber wissen könnte, und ich muß auch ständig auf der Hut vor Irrtümern und Fehlern sein, aber einige Konklusionen erscheinen mir als immer glaubwürdiger. Im Verlauf der Geschichte sind diverse Anomalien in den Beziehungen zwischen dem einen Kontinuum und dem anderen zutage getreten. Da ist zunächst das linguistische Problem: Es sieht so aus, als gäbe es in Mundania mehrere Sprachen, und doch werden sie in Xanth alle gleichermaßen intelligibel. Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr die Signifikanz dieser…«
Irene wurde langsam ungeduldig. Sie stampfte mit ihrem kleinen Fuß auf den Boden. »Wie kann er hier vor einem Jahrhundert vorbeigekommen sein, wenn er damals doch noch gar nicht geboren war?«
»Das ist eben die Diskontinuität, von der ich sprach. Die Zeit scheint höchst unterschiedlich zu verlaufen; es
Weitere Kostenlose Bücher