Zentauren-Fahrt
ihr Gehirn auch nur ein wenig mehr gewesen wäre als eine bessere Art von Pudding, hätte sie auch genau das getan. Doch Zombies griffen einander nicht an, das war einfach zu unappetitlich. Selbst Dors vollständiger Körper, der unter all dem Dreck und den Stoffetzen völlig gesund war, zählte nicht allzu sehr, denn ganz frische Zombies waren ebenfalls vollständig. Es bedurfte einiger Zeit, bis das Fleisch von ihnen abfiel.
Er legte am Innenufer des Grabens an, wo die Schloßmauer im steilen Winkel emporragte. Nun stach er ein Loch in den Schleim und machte etwas reineres Wasser frei, um sich zu waschen. Seine Zombiemaskerade war vorbei, und er wollte das Schloß nicht in dieser Aufmachung betreten. Die Risse in seinem Umhang ließen sich zwar nicht mehr flicken, aber wenigstens würde er aussehen wie ein Mensch.
Er stieg aus dem Boot und mußte feststellen, daß es schwierig war, auf der schrägen Wand zu stehen. Die Oberfläche bestand weder aus Stein noch aus Ziegeln, wie er erwartet hatte, sondern aus Glas – festem, schimmerndem, nahtlosem, kaltem, hartem Glas. Ein Glasberg.
Glas. Jetzt verstand er die zweite Herausforderung. Nach oben zu wurde die Schräge immer steiler, bis die Wand schließlich fast senkrecht emporstieg. Wie konnte er diese Mauer erklimmen?
Dor machte einen Versuch: Er setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und stellte fest, daß er stehen und sich langsam vo r wärts bewegen konnte. Er mußte sich völlig aufrecht halten, denn sobald er sich gegen den Berg lehnte, wie es ja nur natürlich gew e sen wäre, verlor er seinen Halt. Wenn er ausrutschten sollte, würde er schnell in dem gräßlichen Graben landen. Glücklicherweise wehte kein Wind, also konnte er aufrecht stehen und langsam e m porsteigen.
Allerdings bemerkte er eine kleine Wolke am Himmel. Noch während er sie betrachtete, schien sie sich schnell auszudehnen. Oho! Das bedeutete sicherlich Regen, der ihn wiederum in die Tiefe spülen würde. Das war bestimmt alles andere als ein Zufall: Wahrscheinlich hatte die Berührung des Glases durch seinen Fuß den Sturm herbeibeschworen. Er mußte unbedingt die obere Ma u erkante erreichen, bevor die Wolke ihn erreicht hatte. Na ja, w e nigstens war es nicht sehr weit. Wenn er vorsichtig war und gute Fußreibung behielt, würde er es wahrscheinlich schon schaffen.
Da kam etwas um den Berg galoppiert. Es hatte vier Beine, einen Schwanz und einen komisch gehörnten Kopf. Doch am seltsam s ten war…
Mit gesenkten Hörnern jagte es auf Dor zu. Das Wesen war nicht größer als er, und die Hörner waren kurz und stumpf, doch sein Körper war wesentlich massiger. Dor mußte einen Satz m a chen, um ihm auszuweichen – verlor den Halt und rutschte ans Grabenufer, wo er, die Nase nur wenige Zoll über der schleimigen Masse, liegenblieb.
Er fand sein Gleichgewicht wieder, während die Zombieseeschlange ihn mit einer gewissen distanzierten Belustigung beobac h tete. Dor wischte sich ein Stück Schleim von der Nasenspitze. »Was war denn das?«
»Der Berghanghufer«, erwiderte das Glas.
»Irgendwas war ziemlich merkwürdig an diesem Tier. Seine Be i ne…«
»Ach so, ja das!« sagte das Glas. »Die beiden linken Beine sind kürzer als die rechten, damit er bequem um einen Berghang stü r men kann. Das ist natürliche Auslese; die meisten besseren Berge haben welche.«
Kürzere linke Beine – dadurch konnte der Hufer also auch auf Schrägen aufrecht gehen. Das ergab durchaus einen gewissen Sinn. »Wieso habe ich denn noch nie von diesem Wesen gehört?« wollte Dor wissen.
»Wahrscheinlich, weil man deine Ausbildung vernachlässigt hat.«
»Ich bin von einer Zentaurin unterrichtet worden!« verteidigte sich Dor.
»Die Zentaurin hat dir mit Sicherheit von dem Berghanghufer erzählt«, stimmte das Glas ihm zu. »Aber hast du auch zugehört? Jeder Unterricht taugt nur so viel wie der Verstand des Schülers.«
»Was willst du damit sagen?« fragte Dor.
»Wußte ich’s doch, daß du zu schwerfällig bist, um die Anspi e lung zu verstehen«, meinte das Glas hämisch.
»Du bist doch bloß ein Glasberg!« erwiderte Dor gereizt. »Wie helle bist du denn?«
»Dachte schon, du würdest nie fragen! Ich bin das hellste Ding am ganzen Horizont.« Da fiel ein schräger Sonnenstrahl herab, an der drohenden Wolke vorbei, und ließ den Berg hell aufleuchten!
Da war Dor aber in eine hübsche Falle getappt! Trotzdem er sein ganzes Leben lang mit unbelebten Dingen gesprochen hatte, fiel er
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