Zentauren-Fahrt
Idiot!« rief Dor, den der ungemütl i che Regen und die Kälte äußerst gereizt machten.
»Das stimmt allerdings! Du bist ein Prachtexemplar von einem Idioten.«
»Danke«, sagte Dor beschwichtigt. Dann wurde ihm klar, daß er sich genauso leichtgläubig verhielt wie ein durchschnittlicher unb e lebter Gegenstand. Wütend stieß er mit seinem Kopf gegen das Glas – da klickte es. Huch! Hatte er sich selbst den Schädel eing e schlagen?
Nein, er hatte nur eine kleine Schramme davongetragen. Das Geräusch mußte von irgend etwas anderem herrühren. Wieder stieß er gegen die Oberfläche, und erneut war das Klicken zu h ö ren.
Aha! Er stieß ein drittes Mal gegen das Glas – und plötzlich sprang der Gipfel des Berges auf: ein Deckel, dessen Verriegelung aufgesprungen war. An starken Scharnieren hing er zur Seite he r ab; in seinem Inneren war eine Wendeltreppe zu erkennen. En d lich der Sieg!
»So benutzt man sein Köpfchen«, bemerkte das Glas.
Dor kletterte kopfüber in die Öffnung und mußte sich erst u m drehen, um mit den Füßen Halt auf der Treppe zu fassen. Dann zog er den Deckel wieder hoch und schloß den Regenschauer aus. »Verdammt!« fluchte die Wolke.
Er kam in Humfreys überfülltem Studierzimmer heraus. Es war voller ledergebundener Zauberbücher, magischer Spiegel und P a piere und war überhaupt mit einer gewaltigen Masse undefinierb a rer Gegenstände übersät. In ihrer Mitte, fast versunken in dem ganzen Gerümpel, stand der Gute Magier Humfrey.
Humfrey war klein, beinahe winzig, und schrecklich faltig. Sein Kopf und seine Füße waren beinahe so groß wie die eines K o bolds, und zusammen mit seiner Jugend hatte er auch den größten Teil seiner Haare eingebüßt. Dor hatte keine Ahnung, wie alt er sein mochte, und wagte es auch nicht, ihn danach zu fragen. Humfrey war eine beinahe zeitlose Institution. Er war der Magier des Wissens, der Information. Alles, was in Xanth wissenswert war, wußte er – und er beantwortete jede Frage, sofern der Fr a gende bereit war, ihm dafür einen Jahresdienst zu leisten. Es war erstaunlich, wie viele Menschen und andere Wesen sich von dieser unglaublich hohen Forderung nicht abschrecken ließen. Offenbar war Information das Kostbarste, was es gab.
»Wird auch Zeit, daß du kommst«, knurrte der kleine Mann, o h ne Dors Zustand auch nur eines Blickes zu würdigen. »Auf der Zentaureninsel gibt es ein Problem, um das du dich kümmern mußt. Dort hat sich ein neuer Magier entwickelt.«
Das war aber wirklich eine Neuigkeit! In Xanth tauchten Magier etwa einmal pro Generation auf. Dor war der letzte gewesen. »Wer ist es? Was hat er für ein Talent?«
»Es scheint ein Zentaur zu sein.«
»Ein Zentaur! Aber die meisten Zentauren glauben doch gar nicht an Magie!«
»Sie sind sehr intelligent«, pflichtete Humfrey ihm bei.
Da die Zentauren – zumindest jene, die es zugaben – magisches Talent besaßen, gab es auch keinen Grund, weshalb es keinen Zentaurenmagier geben sollte, erkannte Dor. Doch das würde zu gewaltigen Komplikationen führen. Nur ein Magier konnte Xanth regieren. Angenommen, daß es eines Tages keinen menschlichen Magier mehr gab, sondern nur einen Zentauren? Würden die Me n schen einen Zentaurenkönig akzeptieren? Konnte ein Zentaure n könig überhaupt seine eigenen Artgenossen regieren? Dor bezwe i felte, daß Cherie Zentaur Befehle von einem Zentaur entgege n nehmen würde, der selbst Magie praktizierte; sie hatte sehr strenge Vorstellungen, was Obszönität anging, und da gab es nichts zu diskutieren. »Ihr habt mir nicht gesagt, welches Talent er hat.«
»Ich kenne sein Talent nicht!« bellte Humfrey. »Ich habe mir e i nen abgezaubert und zig Spiegel zerbrochen, um es herauszufi n den – aber es sieht so aus, als täte er gar nichts.«
»Wie kann er dann ein Magier sein?«
»Das sollst du herausfinden!« Offenbar war der Gute Magier alles andere als glücklich über seine Unfähigkeit, in diesem Fall alle Tatsachen herauszubekommen. »Wir können kein unidentifiziertes Talent von Magierformat frei herumlaufen lassen; das könnte g e fährlich werden.«
Gefährlich? Das erinnerte ihn an etwas. »Äh – ist die Zentaure n insel zufällig im Süden?«
»Vor der Südspitze Xanths. Wo soll sie denn sonst sein?«
Dor wollte nicht eingestehen, daß er diesen Teil der Geographie vernachlässigt hatte. Cherie hatte es ihm überlassen, ob er auch nichtmenschliche Geschichte und Gesellschaftswissenschaften studieren wollte;
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