Zentauren-Fahrt
wesen. Da bemerkte er, daß etwas Sand, der an der Pflanze klebte, gesprochen hatte.
»Nicht zu fassen!« sagte der Stein. »Sie versucht’s tatsächlich!«
Der Stein war inzwischen von dem Grünzeug fast völlig bedeckt. »Schon gut, schon gut, Puppe! Aber wisch erst mal diese Schrot t gewächse aus meinem Gesicht!«
»Hört auf zu wachsen!« befahl Irene dem Unkraut, das mit einem frustrierten Rascheln aufhörte. Sie trat es in den Boden.
»Hübsche Beine hast du aber«, bemerkte der Stein. »Und das ist noch nicht mal alles.«
Irene, die über dem Stein gestanden hatte, machte einen Satz zur Seite. »Du sollst lediglich nur meine Frage beantworten.«
»Die Dinger springen einfach hervor, erschrecken die Leute und hauen ab«, sagte der Stein. »Sie sind harmlos. Sie sind vor gar nicht allzu langer Zeit aus Mundania herübergekommen, als die Mund a nier aufgehört haben, an sie zu glauben. Sie haben gar nicht den Mumm, irgend etwas Böses zu tun.«
»Danke«, sagte Irene, zufrieden mit ihrem Sieg über den frechen Stein.
»Ich glaube, das Gras muß noch ein bißchen runtergetrampelt werden«, schlug der Stein ihr vor.
»Nicht solange ich einen Rock anhabe.«
»Ooooccch…«
Sie beendeten ihr Mahl und machten sich auf den Weg nach S ü den. Der Tag war zwar schon fast zu Ende, aber sie mußten eine vernünftige Lagerstelle für die Nacht suchen. Dor befragte weitere Steine, um sicherzugehen, daß nichts Gefährliches in der Gegend lauerte; doch diese Insel schien einigermaßen sicher zu sein. Vie l leicht hatte sich das Blatt ja gewendet, so daß sie ihr Ziel mögl i cherweise ohne weitere Mißgeschicke erreichen würden.
Doch als die Abenddämmerung einbrach, gelangten sie an die Südküste der Insel. Ein schmaler Kanal trennte sie von der nächs t gelegenen Insel in der Kette.
»Vielleicht bleiben wir über Nacht besser hier«, sagte Dor. »Diese Insel scheint sicher zu sein, und wir wissen nicht, was uns auf der nächsten erwartet.«
»Außerdem bin ich müde«, warf Irene ein.
Sie ließen sich zur Nacht nieder, geschützt von einem Palisade n zaun aus Spargelspitzen, die Irene eigens dafür wachsen ließ. Der Springinsfeld griff das Staket unentwegt an und lief immer wieder davon, ohne Schaden anzurichten.
Chet und Krach, die am größten waren, legten sich an den A u ßenrand des kleinen Geheges. Grundy brauchte kaum Platz, so daß er nicht wirklich zählte. Dor und Irene waren in der Mitte zusammengepfercht. Doch nun hatte sie Platz und Zeit genug, sich hinzulegen, ohne ihn zu berühren. Na ja.
»Weißt du, dieser Stein hat durchaus recht«, meinte Dor. »Du hast wirklich hübsche Beine. Und das ist noch längst nicht alles.«
»Schlaf jetzt«, sagte sie, keineswegs unerfreut.
Am nächsten Morgen trieb ein großer, rundlicher Gegenstand im Kanal. Dor gefiel das nicht. Sie mußten an ihm vorbeischwimmen, um die Nachbarinsel zu erreichen. »Ist das ein Tier oder eine Pflanze?« fragte er.
»Keine Pflanze«, erwiderte Irene. Sie hatte ein Gespür für so e t was, da es in Beziehung zu ihrer Magie stand.
»Ich werde mit ihm sprechen«, sagte Grundy. Er gab eine ko m plizierte Reihe von Pfiffen und beinahe unhörbaren Grunzern von sich. Ein großer Teil seiner Kommunikation war für andere u n durchschaubar, weil manche Tiere und die meisten Pflanzen nichtmenschliche Organe verwendeten. Kurz darauf erklärte er: »Es ist eine Seenessel, ein pflanzenähnliches Tier. Dieser Kanal ist ihr Revier, und sie wird jeden zu Tode stechen, der dort eindringt.«
»Wie schnell kann sie denn schwimmen?« fragte Irene.
»Schnell genug«, meinte Grundy. »Sie sieht zwar nicht nach viel aus, aber sie kann was. Wir könnten uns in zwei Gruppen aufte i len, dann erwischt sie vielleicht nur die Hafte von uns.«
»Vielleicht überläßt du das Denken lieber Leuten, die dafür be s ser ausgerüstet sind«, meinte Chet.
»Wir müssen sie entweder von dort wegschaffen oder sie neutr a lisieren«, sagte Dor. »Ich werde versuchen, sie mit meinem Talent wegzulocken.«
»In der Zwischenzeit werde ich mal lieber meine Schockblume wachsen lassen«, sagte Irene.
»Danke für dein uneingeschränktes Vertrauen.« Doch Dor kon n te es ihr nicht wirklich verübeln; er hatte zwar schon öfter Ung e heuer mit seinem Talent austricksen können, doch so etwas hing immer vom Wesen und der Intelligenz des jeweiligen Monsters ab. Bei dem Wasserdrachen hatte er es gar nicht erst versucht, weil er gewußt hatte, daß es
Weitere Kostenlose Bücher