Zerbrochene Traeume
Noch lange grübelte ich, und je mehr ich
nachdachte, desto mehr Verwirrung entstand in meinem Kopf.
13.
Mir war etwas mulmig zumute. Die
letzten beiden Nächte hatte ich kaum geschlafen. Ich hatte Bauchschmerzen und
Angst. Große Angst. Etwas, was mich besonders bedrückte, war die Tatsache, dass
ich noch Jungfrau war. Ich hatte zuvor noch nie mit einem Mann geschlafen, und
das erste Mal hatte ich mir wirklich anders vorgestellt. Ich hatte bisher viele
Geschichten über das erste Mal gehört. Schauergeschichten, doch auch
märchenhafte Erzählungen. Die Ungewissheit, was auf mich zu kommen würde,
machte mich verrückt. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich selbst belog, und das
schlechte Gewissen mir selbst gegenüber wuchs, je mehr ich darüber nachdachte.
Ich hätte mir eingestehen müssen, was da auf mich zukam. Schließlich hörte man
ständig überall davon Geschichten - Babystrich, so wurde es genannt. Andauernd
liefen Reportagen über die Mädchen und Jungen, die so alt waren, wie ich, und
ständig hörte man die Schicksale dieser Menschen. Überall wurde davor gewarnt.
Es sollte wie in der Hölle sein, man würde sich selbst das Leben verbauen und
irgendwann an einer Überdosis Drogen sterben. Ich wusste das alles, und doch
tat ich es. Ich war mir nicht einmal sicher, warum ich es überhaupt tat.
Das Geld lockte natürlich. Es wäre
zu schön, um wahr zu sein, wenn ich mir plötzlich alles kaufen könnte! Mit
neuen, coolen Outfits würde mich nichts mehr davon abhalten, voll im Trend zu
liegen und bei den anderen gut anzukommen, wenn das neue Schuljahr beginnen
würde. Und ich musste auch an Donna denken. Sie war immer so fröhlich und
aufgeschlossen, hatte so viele Freunde. Ich bewunderte sie, und unglücklich
wirkte sie wirklich nicht! Sie hatte mir ja sogar versichert, dass die Arbeit
ihr Spaß machte. Die Männer wären nett und dankbar. Konnte es wirklich so
schlimm sein? Im Fernsehen wurde doch grundsätzlich immer nur das Schlimme an
solchen Dingen gezeigt. Natürlich konnte es gut sein, dass sich viele dadurch
das Leben zerstörten, doch dann war es ihre eigene Schuld. Sie hätten doch
einfach aufhören können, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – so viel
Pech mit ihrer Arbeit gehabt hatten. Ich würde dies auch tun, falls ich damit
nicht zurechtkommen sollte. Doch ich hatte mir vorgenommen, es wie Donna tapfer
durchzustehen und daran zu wachsen. Eine neue Person zu werden.
Nervös ging ich hinunter ins
Wohnzimmer und setzte mich auf die Couch. Natascha war schon den ganzen
Nachmittag mit Freundinnen fort. Sie war - im Gegensatz zu mir - überaus
beliebt. Ständig unterwegs, und sogar meine Eltern mochten sie mehr, als mich.
Doch ich nahm es ihr nicht übel. Nicht mehr. Bald würde ich noch beliebter
sein, als sie, und alle würden mich lieben. Meine Eltern, die würden von nichts
eine Ahnung haben, doch es war dann ausnahmsweise mal ihr Pech und nicht meins!
Sie kümmerten sich schließlich nie um mich, da ging es sie auch nichts an, was
ich tat. Sie waren mir egal geworden. Sollten sie ruhig weiter so langweilig
vor sich hin leben - ich würde eine Menge Geld haben! Und wenn es ihnen einmal
schlecht gehen würde, würde ich nicht auch nur einen einzigen Gedanken daran
verschwenden, ihnen zu helfen. Denn wo waren sie gewesen, als ich sie gebraucht
hatte?
Mutter schreckte mich aus meinen
Gedanken, als sie durch das Zimmer gehuscht kam: „Gehst du heute noch weg?“
„Ja.“
„Wo gehst du denn hin?“
Wieso fragte sie mich das! Sonst
interessierte es sie gleich null, was ich tat und wie es mir ging, doch wenn
ich einmal meinen Spaß haben wollte, setzte sie alles daran, um ihn mir zu
vermiesen: „Mit Donna weg, zu einer Freundin.“
„Wo wohnt sie denn?“
„Mom, ich bin keine Zehn mehr! Ich
kann sehr gut auf mich selbst aufpassen! Keine Angst, ich treibe mich schon
nicht in gefährlichen Gegenden herum!“
„Da bin ich ganz sicher.“
Auch wenn ich froh über diese
Reaktion war, machte sie mich gleichzeitig bodenlos wütend. Sie glaubte, ich
würde niemals ausgeflippte Dinge tun, weil ich nicht so wäre, wie die anderen
Mädchen. Ich fragte mich, wie sie erwarten konnte, dass ich genauso wäre, wie
die anderen Jugendlichen in meinem Alter, wenn sie mir doch ohnehin verbieten
würde, entsprechende Orte aufzusuchen. Am liebsten hätte ich es ihr geradewegs
ins Gesicht gesagt: Mom, ich gehe jetzt auf den Strich! Doch vermutlich hätte
sie dann zum Lachen
Weitere Kostenlose Bücher