ZeroZeroZero: Wie Kokain die Welt beherrscht

und um die gerungen wird, in reinster Form, wie beim Kokain. Auf der anderen Seite dieses strategischen Risikospiels stehen Länder, in deren Mitte man auf der Weltkarte seine Fahne plaziert. Italien: erobert, England: erobert, Russland: erobert. China: erobert. Sie sind überall. Für die mächtigsten Familien hat Kokain die Funktion eines Geldautomaten. Ein Shoppingcenter steht zum Verkauf? Man importiert Kokain, und einen Monat später ist das Geld für die Übernahme vorhanden. Man will irgendwo den Wahlkampf beeinflussen? Mit Hilfe des importierten Kokains hat man wenige Wochen später die Mittel. Kokain ist die universelle Antwort auf Liquiditätsbedarf. Der Kokainmarkt
    wächst unverhältnismäßig schnell, und er erobert den gesamten Erdball.
5 Grausamkeit kann man lernen
    Seit Jahren frage ich mich, wozu diese Beschäftigung mit Toten und Schießereien gut sein soll. Lohnt sich das alles? Was hat es für einen Sinn? Wird man deinen Expertenrat einholen? Wirst du an irgendeiner Universität einen sechswöchigen Kurs geben, vielleicht sogar an einer renommierten? Wirst du dich in eine Schlacht gegen das Böse stürzen, in der du dich für den Guten hältst? Wird man dich ein paar Monate lang als Helden feiern? Verdienst du daran, wenn andere lesen, was du geschrieben hast? Werden dich all jene hassen, die vor dir dasselbe geschrieben haben, ohne Beachtung zu finden? All jene, die nicht oder nicht gut geschrieben haben? Manchmal glaube ich, es ist eine Obsession. Manchmal sage ich mir, dass diese Geschichten die Wahrheit ans Licht bringen werden. Vielleicht ist dies das Geheimnis. Nicht für andere, sondern für mich. All dies ist mir selbst ein Rätsel, ungeachtet dessen, was ich öffentlich sage. Den Spuren des Drogenhandels und der Geldwäsche zu folgen gibt dir das Gefühl, du könntest die Wahrheit der Dinge ermessen: den Ausgang einer politischen Wahl, den Sturz einer Regierung. Und bald reichen dir die offiziellen Verlautbarungen nicht mehr. Während das Weltgeschehen eine ganz bestimmte Richtung nimmt, scheint sich alles auf banale und oberflächliche Dinge zu konzentrieren. Auf die Erklärung eines Ministers etwa, ein marginales Ereignis, Klatsch und Tratsch. Das Entscheidende jedoch liegt ganz woanders. Es ist diese Ahnung, die jeden romantischen Idealismus befeuert. Der
    Journalist, der Schriftsteller, der Regisseur, sie alle wollen erzählen, wie die Welt beschaffen ist, wie sie wirklich ist. Sie möchten ihren Lesern, ihrem Publikum sagen: Es ist nicht so, wie du denkst, und jetzt zeige ich dir die Wunde, die dir die ultimative Wahrheit enthüllt. Leicht kann man meinen, der wahre, der eigentliche Kern der Wirklichkeit sei vollständig verborgen. Wenn du über etwas stolperst, fängst du an, überall Verschwörungen, Geheimversammlungen, Logen und Spitzel zu sehen. Du glaubst, alles sei ganz anders, als es scheint. Das ist der typische Fehlschluss des Erzählers. Es ist der Anfang der Kurzsichtigkeit, die den befällt, der sich für unbescholten hält und denkt, der Lauf der Welt richte sich nach seiner Optik.
    Aber so einfach ist es nicht. Gerade wenn man nicht mehr glaubt, alles geschehe im Verborgenen oder werde in geheimen Hinterzimmern entschieden, werden die Dinge kompliziert.
    Die Welt ist mehr als nur eine Verschwörung von Geheimdiensten und Sekten. Die kriminelle Macht ist ein Konglomerat aus Regeln, Misstrauen, staatlicher Gewalt, Kommunikation, Grausamkeit und Diplomatie. Wenn man sie studiert, wird man zum Textinterpreten, zum Entomologen.
    Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger ist mir klar, warum jemand beschließt, sich mit diesen Phänomenen zu beschäftigen. Um des Geldes, des Ruhmes willen? Um mit Preisen ausgezeichnet zu werden? Karriere zu machen? All dies hat kein Gewicht, wenn man betrachtet, welcher Preis dafür zu zahlen ist: die Bedrohung und das unerträgliche Geraune, das dich verfolgt, wohin du auch gehst. Wenn es dir gelingt zu erzählen, wenn deine Geschichte fesselnd ist, wenn du den richtigen Ton triffst und die Wahrheit sagst, wenn die Worte, die aus deiner Brust kommen, aus deinem Mund, Resonanz finden, wirst du der Erste sein, dem all das widerstrebt. Du wirst der Erste sein, der dich hasst, aus tiefstem Herzen. Und du wirst nicht der Einzige sein. Auch die dir zuhören, freiwillig zuhören, werden dich hassen, weil du sie auf diesen Dreck aufmerksam gemacht hast. Weil sie das Gefühl haben, sie stünden vor einem Spiegel: Warum habe ich es nicht