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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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glänzende Doppeltüren zu sehen, die offen standen, damit die Menge, die über die Marmorstufen hinaufdrängte, eintreten konnte.
    Die Mitglieder der Gesellschaft aus dem ruthenischen Haus wurden von einem Dienerschwarm in der Eingangshalle von ihren Mänteln befreit und die Treppe hinaufgeschickt. Die Vicomtesse, eine Witwe mit unerschöpflichem Vermögen und eindrucksvollen Familienverbindungen, begrüßte sie gleich im großen, offenen Ballsaal. Die nickenden Federn in künstlichem Grün und geschmacklosem Apricot ließen jene in Julianas Haar zwergenhaft erscheinen. Ihr gleichfarbiges Kleid war mit Bändern und Pölsterchen in jeder Falte zugepflastert, so daß sie fast unter dem Gewicht zusammenzubrechen schien. Ihr Gesicht war rund und schwer gepudert, um jede Spur ihrer natürlichen Gesichtsfarbe zu überdecken und sie so blaß wirken zu lassen, wie es die Mode erforderte, aber es leuchtete vor Aufregung und Freude darüber, Gastgeberin zu sein. Sie hieß den Prinzen aufgeregt willkommen und winkte sie alle in den Saal. Der König werde jeden Augenblick erwartet, sagte sie, und dann könne das Fest beginnen.
    Die Versammlung war tatsächlich bereits in höchster Aufregung. Musik wurde gespielt, aber niemand tanzte. Obwohl überall im Raum Kellner verteilt waren und zahlreiche Tische, beladen mit allerlei Erfrischungen rund um silberne Schalen voller Treibhausblumen, aufgebaut waren, wagte sich niemand an diese Schätze. Die Luft wurde von den großen lodernden Feuern zu beiden Enden des Saales erhitzt. Der Duft weiterer Blumen, die auf Sockeln in den Nischen arrangiert waren, schwebte in der warmen Luft und mischte sich mit dem Parfüm der Damen. Die Gäste standen größtenteils in der Nähe der Tür, um den königlichen Hoheiten, die an der Feier teilnehmen würden, die erforderliche Ehre zu erweisen. Bislang unterhielten sie sich in unterschiedlicher Lautstärke, so daß der Raum mit einem dumpfen Dröhnen erfüllt war.
    Es war eine höchst modebewußte Versammlung. Die Abendröcke und Hosen der Männer in tiefem Schwarz und Grau bildeten einen ausgezeichneten Hintergrund zu den helleren Kleidern der Damen aus Seide und crepe de chine, Damast und Brokat, Taffeta und Satin broche und mousseline de laine. Die Farben der Saison waren überall zu sehen sowie Ekrü, Hellblau und das ewige Lavendel und Grau der Halbtrauer. Auch die Kunstfertigkeit der Pariser Schneider offenbarte sich im modischen Stil der Kleider, deren mehrlagige Röcke mit schweren Verzierungen versehen waren, an den Spitzenbesätzen, Bändern und Rüschen oder durch die wechselnd farbigen Stoffbänder, die den Eindruck breiter horizontaler Streifen hervorriefen.
    Die Truppe in den blütenweißen Uniformen, in deren Mitte Mara und Juliana in ihren eleganten, einfachen Abendkleidern standen, rief einiges Aufsehen hervor. Köpfe drehten sich, als der Name des Prinzen ausgerufen wurde. Ein vielsagendes Geflüster lief durch den Saal. Frauen starrten sie an. Männer verrenkten sich die Hälse. Ein weißhaariger Herr mit Monokel stand in der Nähe, und Roderic ging auf ihn zu, als hätte er alles um sich herum vergessen. Da er ihre Hand in seiner Armbeuge hielt, konnte Mara nicht anders, als mit ihm zu gehen.
    Der Prinz stellte ihr den weißhaarigen Mann als Diplomaten vor, der ein kleines Nachbarland Rutheniens vertrat, während er Mara höchst taktvoll als Freundin seiner Schwester einführte. Die Dankbarkeit, die sie angesichts dieser kleinen, aber für ihn typischen höflichen Geste überkam, ließ sie einen Augenblick lang den Faden der Unterhaltung verlieren. Sie schaute weg und ließ ihren Blick über die Gäste schweifen.
    Plötzlich wurde ihr Blick von einem Mann unter den Gästen gefangengenommen. De Landes stand nur ein paar Meter von ihr entfernt. Sein Blick war auf sie geheftet, als könnte er dadurch ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, als wollte er sie dadurch ermahnen, ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie hatte sich ein paar kurze Augenblicke lang gestattet, sie zu vergessen. Jetzt kehrte der Gedanke an sie mit neuer Gewalt zurück.
    Dies sollte kein vergnüglicher Abend werden. Sie würde nicht tanzen, nicht flirten, sich nicht sorglos an der Musik, dem Essen, dem Wein, der Gesellschaft der besten Familien Frankreichs oder der gutgelaunten Truppe erfreuen. Sie war eines bestimmten Vorhabens wegen hier, und sie mußte es ausführen. Sie mußte dafür sorgen, daß Roderic in der Nähe der Eingangstür blieb, durch die bald der König von

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