zorneskalt: Thriller (German Edition)
Grund frage, sagst du: » Alles Mögliche.« Ich bohre nicht nach, ich will dich nicht verärgern, uns nicht verärgern. Ich bin glücklicher als je zuvor. Als hätte jemand Farbe in mein Leben gebracht. Es ist schwer zu erklären, aber ich habe das Gefühl, du hättest schon immer auf mich gewartet. Als wären wir füreinander bestimmt gewesen. Ich habe erstmals jemanden an meiner Seite, der mich versteht, der mit mir lacht. Der mich beschützt.
Wir kennen uns jetzt seit acht Wochen. Wir lieben beide Take That, obwohl wir uns streiten, wer Robbie heiraten darf, wobei du immer gewinnst. Wir hassen beide Nudelauflauf mit Käse, vor allem den aus der Schulkantine, der grau und wässrig ist und wie ein Haufen Maden aussieht. Und wir hassen Sportspiele, das Trampolin zum Beispiel, um das alle Mädchen einen Ring bilden müssen, damit man nicht herunterfällt, während sie sich bei der Vorstellung schieflachen, dass man sich den Kopf auf dem harten Boden zerschmettert. Oder Netball, weil ich immer umgestoßen werde. Aber am allermeisten hasse ich es, mich vor den Augen der anderen Mädchen umziehen zu müssen. Die spöttischen Bemerkungen über meine blasse Haut und die Sommersprossen und das rötliche Schamhaar, meine dicken Beine und die Fettwülste um die Taille. Es hat auch keinen Zweck, sein Turnzeug zu vergessen, weil man dann nämlich Fundsachen tragen muss, die nach Mottenkugeln riechen und noch mehr Spott hervorrufen.
Als du mich eines Sonntags anrufst und sagst: » Ich habe die Antwort, Rachel! Ich weiß jetzt, wie wir uns eine Zeit lang vor dem Sport drücken können«, bin ich so glücklich, dass ich platzen könnte, und will natürlich sofort Näheres über deinen Plan wissen. Aber du sagst nur: » Das erfährst du morgen, Rachel« – mit komischer Stimme, als spieltest du eine Zauberin.
Am nächsten Tag gehen wir in der Pause auf den hintersten Teil des Sportplatzes und setzen uns dort ins Gras. Es ist November, und der Erdboden ist hart und kalt, aber die Sonne gibt noch etwas Wärme ab, wenn sie hinter den Wolken hervorkommt. Ich habe dich den ganzen Morgen angebettelt, mir von deinem Plan zu erzählen, und glaube, dass es dir Spaß macht, mich zappeln zu lassen.
» Komm schon, wie stellen wir’s an?«, frage ich.
» Als Erstes musst du mir sagen, für wie tapfer du dich hältst.« Du knöpfst deine kurze rote Jacke auf und ziehst sie aus.
Ich weiß nicht, was das mit der Befreiung vom Sport zu tun hat, aber ich antworte trotzdem. » Unter den richtigen Umständen könnte ich alles tun, denke ich.«
» Gut, du hast bestanden, Rachel Walsh«, sagst du und schlägst meinen Ellbogen weg, sodass ich ins Gras falle. Dann wirfst du mir deine Jacke zu. Ich setze mich auf und sehe zu, wie du einen Schuh abstreifst: einen schwarzen Lacklederpumps mit einem kleinen Absatz.
» Was wird das? Ein Striptease?«, frage ich.
» Hier. Den wirst du brauchen.« Du gibst mir den Schuh.
» Ich kapiere gar nichts mehr.«
» Hör zu. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt und so weiter. Was wir brauchen, ist ein Bruch, und das Handgelenk ist am einfachsten. Es braucht nur angeknackst zu sein. Sechs Wochen in Gips. Kein Sport.«
Du musst den Verstand verloren haben, denke ich, und das sieht man mir wahrscheinlich an.
» Mein Dad ist Arzt, das weißt du doch. Er kennt sich mit solchen Sachen aus«, sagst du, als wäre damit alles in Ordnung.
Ich habe deinen Vater am vergangenen Samstag kennengelernt. Er hat mir die Haustür geöffnet: T-Shirt mit Surfermotiv, Shorts und Flipflops, Gesicht und Arme gebräunt. Ich dachte, er wäre zu jung, um dein Vater zu sein, bis er mit dem wärmsten Samstagmorgenlächeln, das ich je gesehen habe, sagte: » Du musst Rachel sein. Ich bin Simon, Claras Dad. Rein mit dir, rein mit dir, gleich gibt’s Brunch.«
Ich vermutete schon, ein Brunch sei etwas zwischen Breakfast und Lunch, wollte aber nicht sagen, dass ich noch nie einen gegessen hatte, deshalb folgte ich ihm einfach in die Küche. Dort saßest du mit einem Glas Orangensaft vor dir auf einem Hocker an einer riesigen Frühstückstheke, schlenkertest mit den Beinen und summtest mit der Musik aus dem Radio mit. Ein Musterbild eines perfekten Wochenendes. » Ihr Musikgeschmack ist grässlich«, sagte dein Dad und blinzelte mir zu. » Ich hoffe, dass deiner besser ist, Rachel.« Du nahmst eine Mandarine aus der Obstschale und warfst sie nach ihm. Aber er sah sie kommen und fing sie mit nur einer Hand aus der Luft. » Netter Versuch,
Weitere Kostenlose Bücher