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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Zwangsvorstellungen? Ein Schizophrener mit Krampfzuständen und Wahnideen?“
    „Weg damit!“ „Streichen!“
    „Jähzorn aus Rache?“
    „Zu gut geplant.“
    „Richtig. Aber wie wäre es mit persönlichen Motiven wie etwa . . .Vergeltung für erlittene Schmähungen?“
    Stummes Nicken.
    „Gut, kommt dazu.“ „Tötung auf Verlangen!“ Gelächter. „Euthanasie!“ Gebrüll.
    „Bravo, Kollegen. Das oder Mitleid. Wurde mir auch gefallen. Beim alten Geier stimmt es ja beinahe. Wie wäre es mit tiefer, jahrelanger Feindschaft?“
    Murmeln. „Leicht möglich!“ „Hanser kannte alle drei!“ „Lateinlehrer sind Schweine!“ „Die Kolumnen!“
    „Richtig. Jahrelange Feindschaft bleibt im Rennen. Hass auf Politiker?“
    Wieder Murren. „Wenn der alte Geier ein Ablenkungsmanöver ist, dann ja!“
    „Wäre möglich. Bleibt also auch dabei. Ich weiß, wir hatten es schon. Aber wie sieht es aus mit Auftragsmord? Gesetzt den Fall, der Hanser hält sich einen Vasall, der für ihn tötet und seine Spuren anbringt. Sehr konstruiert, oder?“
    „Ja, das ist Unsinn!“ „Aber möglich!“ „Warum nicht, alles ist irgendwann das erste Mal?
    „Also gut. Sehr theoretisch, aber möglich. Vielleicht in Klammer. Was bleibt?“
    „Machtdemonstration!“
    „Richtig. Passt auf jeden Fall. Und?“
    „Tötung ohne Motiv!“
    „Gibt es nicht. Wer scheinbar ohne Motiv tötet, macht sich gerade das Fehlen des Motivs zum Motiv, nicht wahr? Außerdem haben wir die Kolumnen. Die wurden wohl kaum aus Jux und Tollerei geschrieben, oder? Also, was. . .?“
    „Apropos Kolumnen, Ferri“, streute Michelin ein. „Mein Professor, du weißt schon, der Bekannte meiner Frau, sagt, sie könnten authentisch sein, allerdings hat er die jüngsten Hanserwerke erst mit drei oder vier älteren verglichen. Aber: Er hat noch einen Trumpf im Talon, eine Studentin, die eine Doktorarbeit bei ihm schreibt. Glossen und Polemik im politischen Diskurs oder so ähnlich, was weiß ich. Jedenfalls analysiert diese Studentin seit geraumer Zeit alle Hanser-Kolumnen auf Punkt und Beistrich. Herrlich, oder? Sie ist da dran, aber es dauert halt ein bisserl?
    „Ja, ja. Polizei gegen Universität. Angewandte Schnelligkeit gegen akademische Verzögerung. Also, Kollegen, was fehlt noch?“
    „Vernichtung von Gegenspielern!“
    „Exakt. Dazu müssten wir aber wissen, inwieweit die Opfer Gegenspieler unseres Mörders sind. Da müsst ihr mehr rausholen.“
    „Nicht zu vergessen die Theorie von Kollege Stillhofer.“
    „Stimmt. Eine Blamage für die Polizei als innerer Antrieb. Reichlich absurd, aber bitte“, sagte ich. „Könnte sein. Zumindest als – wie hat die Frau Kollegin so trefflich formuliert? – Begleitmotiv. Also, fassen wir zusammen: Hass auf Politiker mit dem Umweg über einen Lehrer; Vergeltung für erlittene Schmähungen; jahrelange Feindschaft; Vernichtung von Gegenspielern; Ausübung von Macht; Blamage für die Polizei; und in Klammer der Auftragsmord.“
    „Wir vergessen einen wichtigen Parameter, Kollegen.“ Bela Schmaus blickte herausfordernd durch ihre an filigranem Gestell fixierten schmalen Gläser.
    „Der wäre?“ Michelin musterte sie mit achtungsvoller Wissbegier.
    „Wir gehen von zumindest zwei Personen aus, die involviert sind, richtig?“
    Beipflichtendes Nicken.
    „In welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Ist Martin Hanser der Chef und der Zweite sein Vasall? Sind sie Partner? Oder ist der Unbekannte der Chef und Hanser sein Vasall? Oder, wer weiß, womöglich selbst Opfer?“
    Ein heißer Strahl durchzuckte meinen Leib, als führe ein Blitz durch mich hindurch, alles Blut in weniger als einem Augenaufschlag in wallendes Brodeln versetzend. Verdammte Scheiße. Wie konnte ich das nur . . . „Die Kollegin aus Wien“, rief ich, „nimmt in etwas ungestümer, aber ihrem jugendlichen Drang zuzuschreibender und daher verzeihbarer Eile vorweg, was als nächster Punkt . . .“, und dabei klopfte ich mit dem Handrücken der Rechten geräuschvoll zweimal gegen den nach oben abspringenden Zettel in der Linken, „. . .was also als nächster Punkt, nun ja, das haben wir jetzt ja schon.“ Dein Hemd, Ferri, es pickt, von innen heraus, als sprängen alle Poren zugleich auf, eine einzige Hautschleuse, ein Staudamm der Peinlichkeit, der birst und einen eben noch souveränen Körper hinwegschwemmt in einer einzigen Flut schlechten kriminalistischen Denkvermögens, dachte ich. Ein kapitaler Bock, den du dir da geschossen

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