Zuckersueßes Chaos
Geht’s dir langsam besser?«, unterbrach Jason meine Gedanken. Ich bewegte versuchshalber meine Finger und registrierte, dass das taube Gefühl allmählich nachließ.«
»Es wird langsam«, antwortete ich und starrte aus dem Fenster.
»Du solltest ein heißes Bad nehmen, um dich aufzuwärmen. So unterkühlt wie du bist, wirst du morgen sonst krank sein«, riet er. Da hatte er Recht. Obwohl ich glaubte, dass in der Hinsicht bereits jede Hilfe zu spät kam. Ich war schon weniger extremen Bedingungen ausgesetzt gewesen und am nächsten Tag krank geworden. Ich konnte also nur hoffen, dass sich der Schaden in Grenzen hielt. Die restliche Fahrt verbrachte ich damit, schweigend aus dem Fenster zu starren und wirren Gedanken hinterherzuhängen. Jason versuchte mich noch ein, zweimal in ein Gespräch zu verwickeln, doch ich war zu durcheinander, um darauf einzugehen. Außerdem beschlich mich das vage Gefühl, dass er sich nur aus Mitleid darum bemühte. Mitleid, weil er mich für einen weiteren, seiner verknallten Groupies halten musste. Gott, was, wenn er dachte, ich hätte mich nur in diese Situation gebracht, damit er mich abholen und sich um mich kümmern musste? Und wie konnte ich ihn nur jemals davon überzeugen, dass ich nicht wegen des Kusses geweint hatte? Jason fuhr gerade den Wagen in die Einfahrt, als sich Vickys Auto zu uns gesellte und direkt hinter uns einfuhr. Na sieh mal einer an! Als wir ausgestiegen waren, kam Vicky um den Wagen herum und musterte uns verwirrt.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte sie und betrachtete meine schlammbesudelten Klamotten und Jasons Jacke, die um meine Schultern hing.
»Das hätte ich dir sagen können, wenn du an dein verdammtes Handy rangegangen wärst«, fauchte ich und schloss die Wohnungstür auf. Ich wollte keine Sekunde länger im Regen stehen.
»Tut mir leid, ich hatte es auf lautlos gestellt«, entschuldigte sie sich. Jason kam mir hinterher und sagte:
»Nimm’s nicht persönlich, Claire. Ich kenne Vicky seit drei Jahren und die Male, die sie rangegangen ist, kann ich dir an einer Hand abzählen.« Ich stockte. War das gerade lustig gemeint? Machte er jetzt wieder Scherze? Ich drehte mich überrascht zu ihm um, doch seine Miene war wieder verschlossen. Es war fast, als sei er sich seines Satzes erst im Nachhinein bewusst geworden und als verstecke er sich nun wieder hinter seiner gleichgültigen Maskerade. Als wir alle in der Wohnung waren, bat ich Vicky, mir ein paar Handtücher zu holen und schälte mich aus Jasons Jacke. Sie nickte und eilte davon.
»Danke, dass du mich abgeholt hast«, sagte ich und gab sie ihm zurück. Er zögerte, zögerte tatsächlich, was er dazu sagen könnte und presste dann ein
»Gern geschehen« hervor. Gern geschehen?
Gern geschehen!?
Noch vor ein paar Wochen wäre er um ein
Immer wieder gerne, Rotschopf
, oder
war mir ein Vergnügen
nicht verlegen gewesen, aber das, das gab mir den Rest. Ich presste die Lippen zusammen und lief ohne ein weiteres Wort die Treppe hinauf. Vicky, die gerade mit den Handtüchern aus dem Bad kam und verwirrt neben Jason stehen blieb, ignorierte ich. Alles klar. Er wollte sich also gleichgültig geben? Das konnte ich auch!
***
Und wie ich das konnte. Ich war die Königin im Gleichgültigsein. Ich hätte sogar einen Oscar für meine schauspielerische Einlage bekommen müssen, denn nichts konnte ich besser, als verletzte Gefühle verstecken. Eigentlich war es recht beängstigend, denn je beschissener ich mich fühlte, desto besser überspielte ich es. Als ich eines Tages fröhlich pfeifend in die Küche gehopst kam, wurde es Vicky allerdings zu bunt.
»Sag mal, willst du mich eigentlich verarschen?«, fragte sie und nahm mir den Pudding aus der Hand, den ich mir gerade aus dem Kühlschrank genommen hatte. Das Lächeln gefror mir auf den Lippen.
»Was denn?«, fragte ich schulterzuckend. Sie kniff die Augen zusammen.
»Vor Jason kannst du gerne die Unbekümmerte spielen, aber versuch mich nicht auch für dumm zu verkaufen.«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich mit unbewegter Miene und entriss ihr die Packung.
»Zufälligerweise bin ich ebenfalls eine Frau. Ich weiß also, was du hier für ein Spiel spielst, ich habe es selbst unzählige Male gespielt«, damit entriss sie mir den Pudding wieder. Ich sah sie noch einen Moment böse an, dann öffnete ich den Kühlschrank, nahm mir einen neuen raus und setzte mich ins Wohnzimmer.
»Und was schlägst du vor?«
»So wie ich das sehe,
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