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Zuendels Abgang

Zuendels Abgang

Titel: Zuendels Abgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Werner
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erotische Außenstation, nicht ohne externen Spezi.

    Sayonara Bar, 11. 7. Anhang. - Ein Beispiel aus dem Reich der Tiere. - Vielleicht zeigt es am anschaulichsten, wozu wir Männer dienen und woher unsere Schwermut stammt. Und schmerzlich führt es vor Augen, wie sich die weiblichen Wesen an Gottes Schöpfung vergehen. Und klar demonstriert es die tiefe Zweideutigkeit und Inkonsequenz der sogenannten Selbstbefreiung. - Item. Letztes Kapitel (Zusammenfassung): Die Mücke mit dem Namen Johanseniella nitida tänzelt verführerisch, bis ein argloses Männchen Feuer fängt, hoffnungsvoll anschwirrt und sich wunschgemäß mit ihr vereinigt. Nun schleckt und knabbert sie an ihm, und wahrscheinlich denkt das Männchen: »Au diese Leidenschaft! Bin ich ein Teufelskerl!« Ja, und dann gehen die vermeintlichen Liebkosungen in Bisse über, sie verwundet ihn, sie zerfleischt ihn, sie beißt ihm nicht nur den Kopf ab, sondern verschlingt ihn mit Haut und Haar. Aber: Heilig ist ihr sein Genitale! Dieses verschont sie. Stöpselhaft steckt es in ihr und ragt es aus ihr heraus, das edle gerettete Glied, und siehe: Sie hegt und bewahrt es.

    Gramsci Bar, 11. 7., 20 Uhr. - Einseitig? Unreif? Pauschal? Leckt mich, leckt mich doch! Ihr Klugscheißer, ihr affigen! Als ob ich nicht wüßte, daß es auf Erden kein schlechteres, schmutzigeres, böseres, gemeineres, brutaleres Gesindel gibt als die Männer. Daß jedes wirkliche Unheil von ihnen kommt und daß dies die blanke, milliardenfach belegbare Wahrheit ist! Umso schlimmer, umso schlimmer! Umso schlimmer auch für die Frauen, die nicht zurückschrecken vor der letzten und grausigsten Sünde: Sie werden zu Hehlerinnen der Niedertracht und verspüren kaum einen anderen Drang, als sich selbst so pausenlos, so brünstig und so komplizenhaft wie möglich zu verkuppeln an diese Söhne der Finsternis und der Verworfenheit. Ende.

    Als Zündel sein Notizbuch aufatmend einsteckte, schaute ihn der Mann, der neben ihm an der Bar saß, freundschaftlich an und sagte: Host Sorgen? - Ein wenig überrascht antwortete Zündel: Es geht. - Frauen? fragte der Fremde warm. Zündel dachte: Ein Österreicher und doch kein Österreicher. Und er sagte ausweichend, aber ohne Unwillen, denn der Mann gefiel ihm: Es gibt auch andere Sorgen. - Sein Nachbar nickte und sagte: Aber eh am meisten Sorgen mochen uns di Frauen, aber si san so lieb und mollig, i hob si gern. - So, ja, ich auch, sagte Zündel, das ist ja der Fluch, aber woher kommst du?

    Der Fremde war Spanier, aufgewachsen in Spanien als Sohn eines Spaniers und einer österreichischen Mutter. Serafino hieß er, und tatsächlich wirkte er auf Zündel engelhaft trotz seines schwarzen Haars. Sein Teint war weiß und makellos, die Augen, blau (ultramarin), leuchteten fast verklärt. Nein, ein reineres Gesicht war Konrad nie begegnet. Rein, aber nicht weich, gleichwohl verhalten feminin und dennoch männlich. Und dieser zierlich gebaute Mann war ein Seemann, Matrose auf einem libyschen Frachter, der noch in der gleichen Nacht - um zwei Uhr früh - Richtung Tripolis auslaufen würde. Konrad und Serafino verbrachten den Abend gemeinsam. Sie tranken viel, sehr viel, Zündel sogar entschieden zu viel, aber was zwischen ihnen entstand, war mehr als billige Brüderschaft. Große Zuneigung verband sie, ein Gefühl der Verwandtschaft, der Vertrautheit, und beiden war, als hätten sie sich schon immer gekannt. Dabei sprachen sie wenig, zu laut war der Musikboxlärm in den Lokalen, die sie besuchten. Einmal fragte Zündel: Glaubst du, man kann sich hier einen Revolver beschaffen, ich meine ohne Waffenschein? - Da zog ihn Serafino hinaus auf die Gasse und sagte: Natürlich, kein Problem! Aber es wäre schade um dich. - Was? fragte Zündel. - Wenn du dich umbrächtest! Du wirst sehen, das Leben ist auch ohne Abkürzung kurz genug. Bist du unglücklich? -Meistens, sagte Zündel. Serafino drückte seine Hand und sagte: Fratello mio.
    Sie schlenderten die Hafenstraße entlang, Arm in Arm. Zündel sagte: Die Frau, die ich liebe, ist von mir gegangen, aber ich mochte die Welt schon vorher nicht. - Serafino sagte nach einiger Zeit: Die Traurigen dürfen nicht aussterben, sonst stirbt auch Maria, die Trösterin. -Zündel blieb stehen und fragte: Bist du wirklich Matrose? Die nächste Bar hieß Crazy Corner und schien ein Treffpunkt von Nordafrikanern. - Umschlagplatz! flüsterte Serafino. - Rauschgift? flüsterte Zündel zurück, und Se- rafino nickte. Zündel sah nichts

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