Zur Liebe verurteilt
Alfred ein Juwel. Im übrigen ist er sozusagen schon zum Ehemann dressiert, denn er war zweimal verheiratet und wurde zweimal Witwer, der arme, liebe Mann, und hat drei Kinder. Dorie liebt aber Kinder abgöttisch, und in dem großen Haus, das Vater ihr hinterlassen hat, ist genügend Platz für alle. Aber wichtiger als alles andere ist es, daß Alfred nach ihr verrückt ist und ihr auf Schritt und Tritt folgt. Die beiden passen fabelhaft zusammen.«
»Wie Salz- und Pfefferstreuer«, sagte Miß Latham angeekelt.
»Dorie, wirklich! Nur weil Alfreds Haare schon stark gelichtet sind und er einige Muttermale auf der Kopfhaut hat, kannst du ihn noch lange nicht mit einem Pfefferstreuer vergleichen.«
Cole verbarg ein Lächeln. Doch als er zu Miß Latham hinüberblickte, war ihm nicht mehr nach Lächeln zumute. Für ihn mochte es ein Witz sein, für sie aber nicht. Daß er sich niemals irgendwo für dauernd niedergelassen hatte und mit 38 Jahren noch ledig war, hatte seinen Grund. Seine Eltern hatten einander gehaßt. Seine Mutter war in einen kleinen Farmer verliebt gewesen. Doch ihr Vater hatte sie gezwungen, einen Mann seiner Wahl zu heiraten, und es hatte nie zwei Menschen gegeben, die sich mehr haßten als seine Eltern. Mit zwölf Jahren war er aus dem Haus gegangen und nie zurückgekehrt. Wenn seine Eltern noch am Leben waren, lagen sie sich bestimmt noch genauso erbittert in den Haaren wie früher.
Wenn er jetzt die zauberhafte Rowena betrachtete, mußte er Miß Latham recht geben: sie konnte sicherlich jeden Mann zu einer Heirat mit ihrer unansehnlichen Schwester bewegen. Da Rowena diese Wirkung schon auf Cole hatte, konnte er sich gut vorstellen, wie groß ihre Wirkung auf einen kleinen, kahlköpfigen Mann sein mußte, den wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nie eine gutaussehende Frau auch nur angeguckt hatte. Und zweifellos würde Rowena auch die stille kleine Miß Latham davon überzeugen, daß sie diesen Mann, der sie an einen Pfefferstreuer erinnerte, gern heiraten wollte.
Er hob sein Whiskyglas, trank einen Schluck und beobachtete wieder die beiden Schwestern. Auf einmal fand er Rowena gar nicht mehr so schön, wie er anfangs gemeint hatte. Jetzt sah er in ihr so etwas wie eine Despotin. Umgekehrt erschien ihm Miß Latham durchaus nicht mehr so unansehnlich wie zu Anfang. Sie war klug und konnte auch witzig sein, wenn sie wollte. Sie verdiente etwas Besseres als einen dicken Mann, der ihr drei Kinder überlassen und dann losgehen und ihr Geld verschwenden würde.
Nein, er konnte nicht zulassen, daß sie einen Mann heiratete, den sie nicht heiraten wollte. Im Geist sah er seine Eltern vor sich, wie sie sich gegenseitig anschrien. Niemand verdiente ein solches Leben - schon gar nicht die Kinder. Und deshalb konnte Cole jetzt nicht dazu schweigen. Doch womit er herausplatzte, war für ihn selber unglaublich. Er fragte Miß Latham: »Willst du es ihr sagen, meine Liebe, oder soll ich es tun?«
Sie sah ihn verwundert an, denn sie hatte ja keine Ahnung, was er meinte.
»Es werden ja sowieso bald alle erfahren«, sagte er in einschmeichelndem Ton, mit der Stimme eines Verlieb- ten. »So was kann man einfach nicht ewig geheimhalten.« Dann bedachte er Rowena mit jenem Blick, der schon viele Frauenherzen zum Schmelzen gebracht hatte. »Ihre Schwester und ich haben uns nämlich verlobt und wollen heiraten.«
Dorie richtete sich auf. »Nein, bitte, das brauchen Sie nicht zu tun.«
Rowena blickte von einem zum anderen. Cole sah sie trotzig an, während Dorie vor Verlegenheit rot geworden war. Dann lachte Rowena glockenhell. »Dorie, Liebling, man hat mir gesagt, er sei ein Held, aber ich habe nicht geahnt, wie weit das bei ihm geht. Hören Sie, Sie haben Dorie das Leben gerettet, aber das bedeutet doch nicht, daß Sie jetzt bis in alle Zukunft für sie verantwortlieh sind. Nein, Dorie fällt unter meine Verantwortung wie früher unter die unseres Vaters.«
Er mußte wohl doch eine ritterliche Ader haben. Denn bei diesen Worten Rowenas sträubten sich seine Nackenhaare. Sie redete ja so, als wäre Miß Latham ein altersschwaches Schoßhündchen, das zwar allgemein beliebt, aber völlig nutzlos war! In Wirklichkeit war Miß Latham alles andere als nutzlos. Sie war so klug wie ein Mädchen vom College. Nicht eine Frau unter tausend hätte verstanden, was er bei dem Banküberfall mit »rollen« gemeint hatte. Sie hatte es nicht nur auf der Stelle verstanden, sondern auch den Kopf oben behalten, sich etwas
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