Zur Liebe verurteilt
Briefe zu schreiben, in denen zu lesen war, daß sie einen Mann aus Latham zu heiraten gedenke. Leider hatte sie versäumt, einen solchen Mann zu erfinden. Ein Mann, der nur in ihrer Phantasie bestand, konnte ja jederzeit bei einer romantischen Tragödie den Tod finden und Dorie in schwarzem Trauergewand zurücklassen. Statt dessen hatte sie einen Mann erwähnt, den Rowena genauso gut kannte wie sie selbst: Alfred Smythe. Als Dorie mit dem Briefeschreiben anfing, war Alfreds zweite Frau gerade gestorben. Wenn ihr Vater und sie an seinem Haus vorbeifuhren, sah Alfred, der in Dories Augen so alt wie ihr Vater war, sie immer so an, als überlege er, ob sie seine Nr. 3 werden könne.
Von da an hatte die Sache immer deutlichere Formen angenommen. Zu ihrer großen Überraschung merkte Dorie, daß sie ein Talent zum Fabulieren besaß. Vielleicht weil sie selber nichts Nennenswertes erlebte, konnte sie sich auf dem Papier ausleben. Sie erfand für Rowena eine große romantische Liebesgeschichte mit Alfred. Und je mehr sie darüber schrieb, um so begeisterter war Rowenas Reaktion. Was wiederum dazu führte, daß Dorie ihre Erzählungen immer ausschweifender gestaltete. Sie stellte Alfred in glänzenden Farben dar, schilderte seinen stolzen Gang und behauptete, daß er ein gefährlicher Mann wäre. Äußerlich sei er zwar nur ein Ladeninhaber, doch in Wirklichkeit wäre er in allerlei tollkühne und gefahrvolle Unternehmungen verwickelt. Für Dorie bestand Tollkühnheit allerdings schon darin, wenn sie sich eine Stunde lang den Blicken ihres Vaters entzog. Daher schilderte sie auch nie genau, was Alfred denn nun Wagemutiges betrieb. Andeutungen konnten ja viel aufregender sein als eingehende Beschreibungen.
Doch dann wurde Rowena es müde, auf eine Vermählungsanzeige Dories zu warten, und teilte ihr brieflich mit, sie werde nach Amerika kommen und die Hochzeit selber ausrichten. Sofort schrieb ihr Dorie zurück, sie habe sich von Alfred getrennt, Rowena brauche also nicht mehr zu kommen. Woraufhin Rowena jenes Telegramm schickte, durch das ganz Latham erfuhr, daß sie für ihre Schwester, der man das Herz gebrochen hätte, einen neuen Mann suchen werde und demnächst eintreffe. Dorie antwortete unverzüglich mit einem Telegramm, das besagte, sie werde Alfred nunmehr doch heiraten, so daß Rowenas Besuch sich erübrige. Damit nicht wieder die ganze Stadt davon erfuhr, ließ sie da Telegramm durch einen Zugschaffner gegen Bezahlung auf dem nächsten Bahnhof aufgeben. Dorie plante so gar, Hochzeitseinladungen drucken zu lassen und eine an Rowena zu schicken, wobei aus dem Datum hervor gehen sollte, daß die Eheschließung bereits erfolgt wäre Aber da hatten sich ihre früheren Briefe schon als Bumerang erwiesen. Rowena schickte ihr zweites Telegramm, in dem sie ihre Teilnahme an den Hochzeitsfeierlichkeiten ankündigte.
Nach dem Erhalt des zweiten Telegramms geriet Dorie in Panik. Was sollte sie nur tun? In ihrer Art war Rowena ein genauso großer Tyrann wie ihr Vater. Und Rowena brauchte nicht mal Gewissensbisse darüber zu empfinden, daß sie Dorie zur Ehe zwang. Denn die hatte ihr ja all die von leidenschaftlichen Formulierungen wimmelnden Briefe geschickt. Rowena glaubte daher, daß Dorie diesen schrecklichen kleinen Alfred Smythe wirklich liebte.
Als einziger Ausweg fiel Dorie ein, jemand anders zum Mann zu nehmen. Es mußte aber jemand sein, der Rowenas Sinn für Romantik Genüge tat. Sonst würde sie ja kaum glauben können, daß sich Dorie so rasch nach ihrer großen Leidenschaft für Alfred schon wieder verliebt hätte.
Dorie war nicht umsonst ihres Vaters Tochter. Einen Ehemann zu ergattern hieß für sie, ihn zu kaufen. Ungefähr so wie ein neues Paar Schuhe. Ihr Vater hatte ja seine Frau auch gekauft. Er war zur Ostküste gefahren und hatte die Zeitungen nach Meldungen über Bankrotte durchgesehen. Sobald er einen Bankrotteur mit einer attraktiven Tochter gefunden hatte, zahlte er dessen Schulden und heiratete die Tochter.
Also plante Dorie, einen Mann zu heiraten, der dringend Geld brauchte. Allerdings mußte es einer sein, der eine gewisse romantische Aura besaß. Sonst würde ihre Schwester sie doch nicht in Ruhe lassen. Tagelang stellte sie eine Liste geeigneter Männer zusammen. Durch Zufall erfuhr sie, daß der Schmied in Latham einen davon kannte, den man allgemein für einen Killer hielt. Doch der Schmied versicherte Dorie, Cole Hunter habe ein ausgesprochen weiches Herz. Cole sei sich dessen zwar
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