Zurueck ins Glueck
der Straße hinüber, die an dem Tanzenden Fiedler vorbeiführte. Vielleicht konnte sie dort ein Auto anhalten. Die Tankstelle war schon lange geschlossen, dort brauchte sie nicht auf Hilfe zu hoffen. Wenige Minuten später kam jedoch tatsächlich ein Auto mit Fahrtrichtung Fiddler’s
Point in Sicht. Da es so dunkel war, trat Samantha auf die Fahrbahn. Natürlich lief sie so Gefahr, von dem Wagen erfasst zu werden, aber das war immer noch besser, als durchnässt, durchgefroren und hilflos am Straßenrand zurückzubleiben. Als das Scheinwerferlicht sie erfasste, winkte sie heftig, woraufhin das Auto in sicherer Entfernung von ihr anhielt. Die Fahrertür ging auf, und eine schattenhafte Gestalt stieg aus. Samantha wusste, dass sie ein Bild des Jammers bieten musste – verweint, mit nassen, strähnigen Haaren und zerlaufenem Make-up. Hoffentlich ergriff ihr Retter nicht gleich panisch die Flucht. Da die Scheinwerfer genau auf sie gerichtet waren, konnte sie nur die Umrisse des Fahrers erkennen, der langsam auf sie zukam, aber das Klacken genagelter Stiefel auf dem Asphalt, der lange Wachstuchmantel, von dem der Regen abperlte und der breitkrempige Hut waren ihr nur allzu vertraut. Pedro! Wie kam er hierher? Sie machte Anstalten, auf ihn zuzulaufen, doch ihr Knöchel knickte erneut unter ihr weg. Im nächsten Moment war er schon bei ihr und schloss sie in die Arme.
» Bonita , was tust du denn ganz allein hier draußen?« Der Schreck über ihren aufgelösten Zustand war ihm deutlich anzumerken.
»Ach, Pedro...« Abgrundtiefe Erleichterung durchströmte sie, als sie sich Schutz suchend an ihn schmiegte und die Augen schloss.
Er trug sie zu seinem Leihwagen, bettete sie auf die Rückbank und deckte sie mit seinem Mantel zu. Dann setzte er sich neben sie und sprach leise auf Spanisch auf sie ein, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Was ist passiert, mi cosa guapa ?«, fragte er, sobald sie die Augen wieder aufschlug.
»Mein Fuß«, jammerte Samantha leise.
»Warum läufst du ohne Mantel im Regen herum?« Pedro tastete ihr Bein ebenso behutsam ab, wie sie es ihn an dem Tag, an dem er sie beinahe über den Haufen geritten hatte, bei Trueno hatte tun sehen. Sie genoss die sachte Berührung, bis seine Hand die schmerzende Stelle erreichte.
»Autsch!«, entfuhr es ihr.
Er sah sie an und lächelte. »Du wirst es überleben. Nur eine leichte Verstauchung, und daran sind diese verrückten Schuhe schuld, die du trägst.«
Samantha zog ihn zu sich und küsste ihn auf die Lippen. »Danke, dass du mich gerettet hast.«
»Was ist passiert?«, erkundigte er sich noch einmal.
»Ich habe gerade herausgefunden, dass eine meiner besten Freundinnen – zumindest hatte ich sie bislang dafür gehalten – seit Jahren ein Verhältnis mit Cameron hat, dem Mann, den ich beinahe geheiratet hätte. Ich war so wütend und enttäuscht, ich bin einfach weggerannt, und dann habe ich mich verlaufen.«
»Schon wieder dieser Cameron? Wo ist er? Ich bringe den Kerl um!« Samantha spürte, wie sich jeder Muskel in Pedros Körper anspannte. Sie starrte ihn erschrocken an, dann musste sie lachen, und der Knoten in ihrem Inneren löste sich.
»Du bist wirklich mein Ritter in schimmernder Rüstung, Pedro.« Sie kuschelte sich an ihn, was seine Wut rasch verrauchen ließ. Er zog sie an sich, um sie zu wärmen.
Endlich zwang sich Samantha, die unausweichliche Frage zu stellen. »So sehr ich mich freue, dich zu sehen... was machst du eigentlich hier? Ich habe dir die Adressen,
unter denen ich zu erreichen bin, doch nur für den absoluten Notfall gegeben.« Als sie sah, wie sich sein Gesicht verdüsterte, wusste sie Bescheid. Der Schmerz in seinen Augen war nicht misszudeuten.
»Es ist etwas mit Pablo, nicht wahr?«, flüsterte sie angsterfüllt. »Ist er... ist er...« Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Stattdessen brach Pedro in Tränen aus, und sie begriff mit einem Schlag, dass all ihre Probleme und ihr Jammer im Vergleich zu seinem Kummer bedeutungslos waren. »Er ist tot, Sami«, stieß Pedro endlich erstickt hervor. »Papa ist von uns gegangen.«
32. Kapitel
A m nächsten Tag herrschte in Dunross eine gedrückte Atmosphäre. Rose hatte sich in ihrem Zimmer verkrochen und ließ sich nicht blicken. Gillian Johnston, die sich am Abend zuvor geweigert hatte, das Haus zu verlassen und in einem der Gästezimmer untergebracht worden war, kam ebenfalls nicht zum Vorschein. Granny Vic hatte sie eingeladen, so lange zu bleiben, wie sie wollte.
Weitere Kostenlose Bücher