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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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schweißgebadet zu mir kam, legte sie mir feuchte Tücher auf die Stirn. Wenn ich die pure Galle erbrach, hielt sie mir die Schale und wischte meinen Mund aus. Dabei versuchte sie nie, mich zu beruhigen, niemals mahnte sie mich, still zu liegen. Im Gegenteil, wenn ich schrie, feuerte sie mich an und drückte meine Hände so fest, dass ich meinte, dagegen anbrüllen zu müssen. Wenn ich vor Panik das Bett zerwühlte, war sie es, die mir das Laken auch noch vor die Füße schob. Dann hatte ich etwas, was ich treten und quälen konnte, das gab mir dann wieder kurzfristig die Kraft, die Tritte und Qualen zu ertragen, die das Leben mir aufbürdete.
    Als ich eines Abends, von mörderischen Schmerzen im Unterbauch gepeinigt, einen neuen Anfall akuter Atemnot erlitt, als ich dabei vor Schmerz schreien wollte, aber nicht einmal genug Luft hatte, um einen Grashalm zu bewegen, als ich glaubte, nun müsste ich sterben oder zumindest in ein niemals endendes Koma fallen, da war es Claudia, die meinen Schädel gegen die Wand schlug, dass es dröhnte. Im gleichen Moment spürte ich, was für eine enorme Wirkung das hatte. Der fremde, von außen eindringende Akt der Gewalt ließ die inwendigen Qualen verblassen. Ich kam zu mir, für Bruchteile von Sekunden beherrschte ich den Schmerz und nicht umgekehrt, und meine Lungen holten sich die Luft, die ich zum Leben brauchte, Claudia hatte mich gerettet.
    Sie selbst sah das wesentlich weniger dramatisch. Sie nannte ihre Hilfeleistungen »Punkte sammeln fürt Jüngste Gericht«, und gleich ein ganzes Dutzend solcher Punkte brachte ihr Herr Pfarrer Lossmann ein.
    Er kam an einem Tag, an dem es mir ganz besonders schlecht ging, und dass er überhaupt noch mal kam, verschlechterte meinen Zustand sogleich um ein Weiteres. Ich war bis dahin sicher gewesen, ihn auf ewig vergrault zu haben. Doch da hatte ich mich getäuscht. Männer wie Lossmann waren nicht zu vergraulen. Stattdessen setzte er sich zu mir und sprach von dem Kreuz, das ich auf mich nehmen müsste. Sein feistes Gesicht ging düster und schwammig auf mich nieder, und ich hörte, wie er mir mit seinem Kanzelorgan das Ewige Leben verhieß, sofern ich mich hier und jetzt zu meinem Herrn Jesus Christus bekennen und ihm nachfolgen würde.
    Ich schrie laut auf. Meine Übelkeit folterte mich, der Ausschlag auf meinem Körper juckte wie nie zuvor, ich bekam keine Luft, überall hatte ich Schmerzen … und dieser Mann sprach von meinem Platz im Himmelreich. Verzweifelt versuchte ich, mich gegen ihn zu wehren, aber er war stärker als ich. Er hörte nicht auf zu reden, und bestimmt wäre ich das letzte Opfer eines Kreuzzuges geworden, wenn Claudia nicht eingegriffen hätte.
    »Meine Herren, nee!«, brüllte sie Lossmann an. »Dat is ja nich möchlich, wat Se da treiben. Die is am Verrecken und Sie verkaufen se dat als wat ganz Geilet, wo se scharf drauf sein muss. Nu sehn Se aber ma wacker zu, dat se wechkommen. Da hat der Zimmermann dat Loch gelassen!«
    Sie wies auf die Zimmertür.
    Unwillig erhob Pfarrer Lossmann seinen rosigen Körper von meiner Bettkante. Dann versah er mich noch mit Gottes ausdrücklichem Segen und floh.
    Meine Eltern standen meinen Schmerzen so hilflos gegenüber, dass sie sich immer mehr in sich selbst zurückzogen, statt mir nahe zu kommen. Es tat mir unendlich weh, das mit ansehen zu müssen, und so hoffte ich verzweifelt auf einen rettenden Ausweg. Den schienen aber nicht einmal meine Ärzte zu kennen. Vielmehr machte sie mein steter Verfall nervös. Häufig standen sie aufgebracht an meinem Bett und stritten ohne Rücksicht auf Verluste.
    Eines Morgens führte das zum Eklat. Wieder einmal gingen Behringer und Mennert wie die Streithähne aufeinander los. Da schrie ich laut auf und brach in Tränen aus. Augenblicklich verstummten die beiden und blickten erstaunt auf mich nieder. »Was ist denn, Eva?«
    Ich schluchzte wie ein Kind. »Sie sind meine Ärzte«, stammelte ich. »Ich muss tun, was Sie für richtig halten … aber … ich muss doch auch glauben können, dass Sie wissen, was richtig ist. Wenn Sie sich so streiten, dann … Sie sind so unsicher …«
    »Wir sind unsicher«, gab Mennert zu, »wir wissen einfach nicht, was wir tun sollen.«
    Das machte mir Angst. Zum ersten Mal in all der Zeit bekam ich wirkliche Angst: Todesangst. Sie war das tiefste aller Gefühle, die ich je empfunden hatte, denn sie war allumfassend und mit keinem Wort der Welt zu erklären. Sie riss mich mit sich in ein Dunkel, in dem es

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