Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

ja nicht, wie’s euch geht, aber ich hab schrecklichen Durst.«
    »Betsy!«, rief Laura mir nach, aber ich war die kopflose Königin der Untoten. Es kam so selten vor, dass ich einen wirklich guten Einfall hatte, dass ich es nicht erwarten konnte, meine Eingebung in die Tat umzusetzen. Ich kam sozusagen schlitternd in der Bibliothek zum Halten, was schwerer war, als Sie vielleicht glauben, denn dort lag ein apricotfarbener Zottelteppich aus den Siebzigerjahren. »Jetzt können wir … Scheiße!«
    »Was ist?«
    Ich streckte die Hand aus und zeigte es ihnen. Der unheilige Buchständer, auf dem das unheilige und stinkende Buch der Toten sich böse zu rekeln pflegte … war leer.
    Das Buch war verschwunden. Gott sei Dank. Wow, war ich froh, dass es verschwunden war! Jetzt musste ich mir um das dämliche Ding keine Gedanken mehr machen. Denn bis jetzt hatte ich ja überhaupt keine Sorgen gehabt, nicht wahr? Und alles funktionierte getreulich nach meinem Plan, nicht wahr?
    Genau. Argh.

16
    Ein langes, betroffenes Schweigen senkte sich auf uns hernieder. Dann räusperte sich N/Dick: »Ist es versichert?«
    »Wir werden ganz bestimmt keinen Versicherungsanspruch auf das Buch der Toten geltend machen«, sagte Jessica mit Nachdruck. »Schon weil wir nie seinen Wert haben schätzen lassen.«
    » Wo ist es bloß? « Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Ich war vollkommen ratlos. Von allen Problemen, die ich in diesem Monat vorausgesehen hatte, stand die Jagd auf ein Buch, das in Menschenhaut gebunden war, gewiss nicht auf der Liste. Und lassen Sie mich gar nicht erst von dem Papierkrieg mit Versicherungen anfangen!
    »Okay, also, wer hat das Buch der Toten in der Wanne gelesen und vergessen, es zurückzustellen?«, fragte Marc scherzend, doch seiner Miene war zu entnehmen, dass Witzeln ihm im Moment fernlag. Er sah so aus, wie ich mich fühlte: extrem verunsichert.
    »Moment mal.« Ich wandte mich an Tina und meinen Ehemann. » Gibt es ein Buch in diesem Zeitstrom? Ihr seid mir nicht bloß nachgelaufen, um mich bei Laune zu halten? Oder mich zu jagen?«
    Sinclair lächelte. »Obwohl ich gern zugebe, dass ich dich von Zeit zu Zeit gejagt habe, hast du recht: Auch in diesem Zeitstrom existiert ein Buch der Toten .«
    »Okay, das ist doch schon mal was. Denken wir also eine Minute darüber nach. Habt ihr gewusst, dass es verschwunden ist?«
    »Ich habe es genommen.«
    »Natürlich nicht. Das hätte ich doch sofort erwähnt.« Sinclair sah so gekränkt aus, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. »Nachdem ich dich angemessen willkommen geheißen hatte.«
    »Aufs Kreuz gelegt«, warf N/Dick grinsend ein. Er erholte sich von dem schweren Schlag rascher als wir anderen. Cops: Sie leben in einer Welt, in der es nur Schwarz und Weiß gibt. Er hatte es nicht genommen, er wusste nicht, wer es genommen hatte, er wartete auf Instruktionen, dann würde er sich in Bewegung setzen. Bumm. Ganz simpel.
    »Wie gesagt«, beharrte Sinclair.
    »Ich habe es genommen.«
    »Hat irgendeiner von euch gewusst, dass es fort ist?«
    »Das fragst du uns?« Marc war bass erstaunt. »In diesem Haus geht so viel unheimlicher Kram ab, dass ich nicht mal merke, wenn meine Unterhosen weg sind.«
    »Okay. Widerlich. Und was jetzt?«
    »Niemand hätte hier einbrechen und es stehlen können«, überlegte Tina. »Vielleicht hat dieser andere Marc es irgendwo versteckt, bevor er in die Küche gekommen ist?«
    Schwach vernahmen wir seinen Protest aus der Entfernung: »Hab ich ni-hicht!«
    »Ich habe es genommen.«
    »Wir müssen es unbedingt finden!« Ich versuchte vergebens, nicht überzuschnappen. Was war wohl schlimmer, als das Buch der Toten im Haus zu haben? Nicht zu wissen, wo das verdammte Ding war! Da wäre mir glatt eine bösartige Kobra lieber, die unter dem Teppich lauert. »Wer immer es gerade liest, ist im Begriff, wahnsinnig zu werden, und vielleicht merkt er es nicht mal, weil er nicht weiß, dass man verrückt wird, wenn man es liest! Wir müssen ihn retten!«
    »Oder bestrafen«, ergänzte Sinclair.
    »Rachsucht steht dir nicht gut«, sagte ich zu meinem Mann. »Dann zittern deine Nasenflügel.«
    »Ich habe es genommen.«
    »Wann haben wir es zuletzt gesehen?«, wollte Tina wissen. »Wenn wir sicher wissen, wann es zuletzt an seinem Platz lag, dann können wir …«
    »Ich habe das Buch der Toten genommen, ihr Schwachköpfe!«
    Wir starrten den Antichristen an. Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen, bis das Marc-Wesen gellend »Bööööööse!«