Zwergenkinder, Band 01 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 01
beide Flügel flogen regelrecht nach links und rechts auf, weil sie mit unglaublicher Wucht aufgestoßen wurden.
Die Wächter am Tor sprangen zur Seite, die anderen vor den Säulen schauten sich ratlos an, während ein Zentaur im wilden Galopp aus dem Thronsaal sprengte.
Tomli erkannte ihn sofort. Es handelte sich um den Händler Ambaros, dessen getrocknete Blütenblätter der Sinnlosen wohl bei Hofe nicht so gut angekommen waren, denn hinter ihm brüllte eine Zwergenstimme: »Scher dich zu den Wüsten-Orks, und diene ihnen als Futter, du nichtsnutziger Betrüger! Von deinem Blütentrank wird einem ja schlecht!«
Ein silberner Trinkbecher wurde dem Zentaur en mit zorniger Wucht hinterhergeschleudert und prallte scheppernd an Ambaros’ Hinterkopf.
Tomli und Saradul mussten ebenso zur Seite springen wie der Zopflose, der dem davoneilenden Zentaur en noch ein paar wüste Beschimpfungen hinterherrief, denn Ambaros hätte ihn fast mit seinen schweren Hufen getroffen.
Wenig später betraten Tomli und Saradul den Saal. König Brondamil III . saß auf seinem Thron. Er trug die Krone von Ara-Duun, geschmiedet von Halvald, dem Anführer des Verschütteten Stammes, der Ara-Duun einst gegründet hatte. Sie war nicht aus Gold, sondern aus einem unbekannten Metall, das rötlich schimmerte. Halvald hatte kurz vor der Gründung der Stadt gegen einen Höhlenriesen gekämpft und ihn besiegt. Aus der Spitze seines Speers hatte er dann die Krone von Ara-Duun geschmiedet, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
Traditionsgemäß trug König Brondamil III . außerdem einen purpurfarbenen Umhang. Der lag allerdings auf dem Boden, wo er offenbar gelandet war, als der Monarch in seinem Wutanfall aufgesprungen war.
Erneut erhob sich der Zwergenkönig von seinem Thron, diesmal allerdings weniger hastig, und nahm den Umhang wieder an sich. Schwungvoll legte er ihn sich über die Schultern. »Meister Saradul«, sprach er währenddessen. »Ihr seid nach all den langen Jahren wieder willkommen in meinem Thronsaal. Aber verpestet unsere Hallen nicht erneut mit dem ekelerregenden Geruch irgendeines Gebräus!«
Tomli sah rechts neben dem Thron die beiden Elben stehen, die er bereits aus der Ferne durch seine Linse beobachtet hatte, einer grauhaarig, der andere mit rotem Schopf.
Es waren Krieger. Hochgewachsen und stolz standen sie da, die Hände an ihren Schwertgriffen und die Blicke ihrer schräg gestellten Augen auf Saradul und Tomli gerichtet. Der Grauhaarige starrte Tomli geradezu an.
Was will er von mir? , durchfuhr es den Zwergenjungen.
Saradul verbeugte sich und stieß Tomli in die Seite, damit dieser es ihm gleichtat. »Ich bin Euch zu Diensten, König Brondamil. So wie damals schon.«
»Na, so wie damals hoffentlich nicht«, sagte Brondamil. »Euer Wissen ist gefragt, Meister Saradul. Denn leider seid Ihr vermutlich einer der Wenigen, die uns weiterhelfen können.«
»Das will ich gern tun, falls es in meiner Macht steht«, erwiderte der Zaubermeister.
König Brondamil deutete auf die beiden Elben. »Wir haben seltene Gäste. Lirandil, der Fährtensucher aus dem Volk der Elben, und sein Schüler Olfalas, der ein Halbelb ist, wie Ihr an seinem roten Haar zu erkennen vermögt. Ich gebe gern zu, dass ich Elben nicht mag, und ich mag noch weniger, was sie mir berichtet haben. Aber mein Vater riet mir vor langer Zeit, auf den Rat von Lirandil dem Fährtensucher zu hören, denn es gäbe kaum ein Geschöpf, das älter und weiser sei als er.«
»Meister Saradul und ich sind uns schon begegnet«, ergriff Lirandil das Wort.
Tomli erstaunte nicht nur das, sondern noch viel mehr, dass der Fährtensucher die Sprache der Zwerge nahezu perfekt beherrschte, was für einen Elben wirklich ungewöhnlich war.
»Ja, ich erinnere mich«, bestätigte Meister Saradul. »Ich war damals ein junger Zauberer, der gerade in die Bruderschaft aufgenommen worden war. In diesen Hallen regierte noch König Brondamil II ., und unser jetziger König war noch gar nicht geboren. Ihr habt uns damals von der großen Bibliothek und den magischen Schriften berichtet, die es am Hofe Eures Königs Keandir in Elbenhaven gibt, und ich habe es immer bedauert, nie in diesen Büchern stöbern zu können.«
»Inzwischen regiert König Daron das Elbenreich von Elbiana«, sagte Lirandil.
»Ja, es ist viel Zeit vergangen«, meinte Saradul. »Sicher dreihundert Jahre. Ich weiß, für einen Elben ist das nicht viel, aber für einen Zwerg mehr als ein halbes
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