Zwielicht
ein Anästhetikum verabreicht, um ihm die Schmerzen zu ersparen.
Ch’Thane schien über den Berg zu sein, brauchte aber bald einen Arzt.
»Wie geht es ihm?«, fragte Vaughn. Seit er Prynns Wunden versorgt und sie sich gewaschen hatte, sah sie viel besser aus. Zum Glück waren ihre Verletzungen oberflächlich und leicht zu behandeln gewesen – abgesehen von dem Auge. Die dunkle Iris und schwarze Pupille waren von einem Rot umgeben, das das ganze Auge trüb und nahezu blind wirken ließ. Prynns Sehkraft war aber ungebrochen.
»Unverändert«, antwortete sie. Ein Windstoß ließ sie ihre Jacke enger um den Körper ziehen.
Vaughn sah zu dem jungen Mann, dessen sonst so hellblaue Haut dunkler geworden war. »Er hat Glück, dass er noch lebt«, murmelte er. »Wie wir alle.« Als er aufblickte, hatte Prynn Tränen in den Augen.
Schnell wandte sie sich um. »Tut mir leid.« Sie hob den Arm, schien sich über die Wangen zu fahren. Er hörte sie mehrfach durchat-men, bis sie sich schließlich wieder zu ihm drehte. »Wir … Wir waren befreundet«, erläuterte sie. »Zumindest freundeten wir uns gerade an.«
Vaughn vermutete noch mehr dahinter. Kurz vor seiner Ankunft war Deep Space 9 angegriffen worden. Prynn hatte Kollegen und Freunde verloren, sogar einen sehr engen Freund. Vaughn wollte zu seiner Tochter gehen, sie in die Arme nehmen, sie halten und ihr sagen, dass alles gut werden würde. Doch sie brauchte etwas anderes als seinen Trost – ungeachtet dessen, was zwischen ihnen stand.
»Prynn«, sagte er sanft. »Wir hatten nicht einfach nur Glück … richtig?«
»Doch, hatten wir«, antwortete sie, schloss den Trikorder und steckte ihn in eine Jackentasche. »Aber nicht nur .«
Vaughn nickte und berichtete ihr, was er beim Absturz gesehen –
oder besser: nicht gesehen – hatte. »Wie hast du das geschafft?«, fragte er mit aufrichtiger Neugierde und um sie ein wenig abzulenken.
»Ein alter Shuttlepilotentrick«, antwortete sie. Zum ersten Mal seit dem Absturz schien sich ihre Miene aufzuhellen. »Es gibt ein paar Manöver, die selbst bei einem in Mitleidenschaft gezogenen Schiff noch greifen … Letztlich haben uns aber die Antigravs gerettet.«
»Antigravs funktionieren nicht bei dieser Geschwindigkeit«, warf er ein.
»Wir wurden langsamer, als wir auseinanderbrachen. Ich setzte im richtigen Moment auf die Notschubdüsen. Dann ließ ich die Antigravs überlasten. Man nennt das den ›Sulu-Shuttle-Stunt‹ – eine Sache von einer Millisekunde.«
Vaughn nickte beeindruckt. Was Prynn so sachlich beschrieb, war ein Unterfangen, das selbst den besten Piloten in neun von zehn Fällen misslang. Sie ist wirklich außergewöhnlich , dachte er und sagte es auch – als ihr Kommandant, nicht nur als stolzer Vater.
»Danke«, erwiderte sie und nahm das Kompliment an. Vaughn fragte sich, nach welchem Sulu der Trick benannt worden war: Hi-karu oder Demora. Er hatte beide gekannt und traute es beiden zu.
»Hier«, sagte er und reichte Prynn eine der Lampen. »Ich dachte mir, die könnten nützlich sein.« Sie nahm das Gerät, fand den Schalter und aktivierte es. Prynn richtete den starken, hellen Lichtstrahl erst auf den Boden vor sich, dann in die Ferne. Selbst im trüben Tageslicht reichte er weit.
Vaughn trat zu Ensign ch’Thane, stellte die restlichen Lampen ab, nahm sich eine Matte und setzte sich. »Wir müssen besprechen, was wir unternehmen wollen.«
Prynn schaltete ihre Lampe aus und stellte sie zu den anderen.
»Ich habe einige Ideen«, sagte sie und zog den Trikorder hervor.
»Ich habe das Heck des Shuttles gescannt. Es könnte uns gelingen, genügend Komponenten anderer Systeme zu sammeln, um den Transporter zu reparieren.« Wie er aus ihrer Akte wusste, hatte Transportertechnologie zu ihren Studienschwerpunkten auf der Sternenflottenakademie gehört. »Wegen der Wolken wären wir nicht in der Lage, uns zur Defiant zu beamen. Und die Energiewerte an der Quelle des Impulses machen es unmöglich, zu sagen, wie nah wir ihr kommen würden – aber näher kämen wir bestimmt.«
Vaughn lauschte ihrem Vorschlag, war froh über ihre Professionalität. Während sie mit der Existenzsicherung des Außenteams beschäftigt gewesen war, hatte sie sich auch Gedanken über das eigentliche Ziel ihrer Mission gemacht. »Wie lange würde das dauern?«, fragte er. »Und wie hoch sind unsere Erfolgschancen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie und studierte die Anzeigen ihres Trikorders. »Ausgehend von meinen
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