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Zwischen Leidenschaft und Liebe

Titel: Zwischen Leidenschaft und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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den Sinn. Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Konnte er in zehn Jahren zurückkommen und diese glückliche junge Frau dabei beobachten, wie sie Tabletts in das Zimmer ihrer Schwiegermutter trug? Würde ihr hübscher Ehemann überhaupt bemerken, daß man den Geist seiner Frau gebrochen hatte?
    Trevelyan stand auf und ging zur Tür. Vielleicht half es, wenn er mit Leatrice redete. Er wollte nichts unternehmen -nur mit ihr reden. Vielleicht war sie gar nicht so unglücklich, wie Claire meinte.

15. Kapitel
    Leatrice, die in ihrem Bett wie in einem Kokon eingesponnen war, hatte zunächst keine Ahnung, was dieses knarrende Geräusch bedeutete. In ihrem schlaftrunkenen Zustand wußte sie nur, daß jede Störung von ihrer Mutter ausging. Was wollte die alte Frau jetzt wieder von ihr? Sollte sie ihr die Füße einreiben? Die Haare bürsten? Heißes Wasser holen?
    Einen Tee? Oder sollte sie ihr etwas vorlesen? Manchmal hatte Leatrice das Gefühl, daß die alte Frau sich noch spät nachts den Kopf zerbrach, womit sie ihre Tochter quälen konnte. Ihr Onkel James hatte einmal gesagt, daß Eugenia unmöglich schlafen könne, denn niemand, der so gemein sei wie sie, könne so etwas schaffen, ohne volle vierundzwanzig Stunden täglich daran zu arbeiten.
    Leatrice schlug die Decke zurück und stieg mit noch geschlossenen Augen aus dem Bett. Erst als Licht durch ihre Lider sickerte, riß sie die Augen auf. Bei der Ostwand, neben der alten Geheimtür in der Täfelung, mit einer brennenden Kerze in der Hand, stand der Geist ihres toten Bruders. Leatrice preßte die Fingerknöchel gegen die Lippen, um nicht laut zu schreien, schlüpfte ins Bett zurück und wollte sich die Decke über den Kopf ziehen.
    Der Geist lächelte sie an.
    Leatrice bemühte sich, noch weiter von dem Gespenst fortzurücken. Und wenn ihr Leben davon abgehangen hätte - sie war nicht fähig, einen Ton von sich zu geben. Das Entsetzen lähmte ihr die Zunge.
    »Ach, Mutt«, sagte der Geist, »ich bin es nur.«
    Leatrice lag zitternd da und starrte den Eindringling an. Dann begann sie zu blinzeln. Er sah nicht wie ein Gespenst aus, sondern wie ein Mann aus Fleisch und Blut, der das Zimmer durch die alte Geheimtür betreten hatte. Sie setzte sich langsam auf, und er kam einen Schritt näher.
    »Ich bin echt«, sagte er. »So echt und wirklich wie eh und je.«
    Sie betrachtete den Mann genauer. Konnte er tatsächlich ihr Bruder sein? »Vellie?« flüsterte sie.
    Er nickte einmal, dann war er bei ihr. Leatrice breitete beide Arme aus, und er begrub das Gesicht an ihrem Hals, während sie das Gesicht in seinem Haar barg.
    Er war real. Oh, dem Herrn und allem, was ihr heilig war, sei gedankt - er war wahrhaftig lebendig!
    Leatrice begann zu weinen. Erst waren es nur Tränen, die ihr lautlos von den Wimpern tropften, aber dann, als sie mit den Händen über seine Arme und über seinen Rücken strich, als müsse sie sich vergewissern, daß er tatsächlich da war, schluchzte sie.
    »Ruhig, mein Liebes«, flüsterte er und drückte sie an sich.
    Er war mit einer seltsamen Robe aus Seide bekleidet, zu der er ein Paar weiche Stiefel trug. Er benutzte den großen Zeh des linken Fußes, um den rechten Stiefel auszuziehen, dann den großen Zeh des anderen Fußes für den zweiten Stiefel, kroch zu ihr ins Bett, streckte sich neben ihr aus und hielt sie in seinen Armen, als wäre er Bruder und Liebhaber zugleich. Und er ließ sie weinen. Nachdem sie bei seinen ersten Ermahnungen nicht aufgehört hatte, versuchte er nicht länger, ihren Tränen Einhalt zu gebieten, er hielt sie nur fest, während sie weinte und weinte und weinte.
    Es dauerte lange, bis sich Leatrice so weit gefangen hatte, daß sie wieder sprechen konnte. Und als es ihr gelang, ihre Tränenflut zurückzuhalten, wurde sie nur von dem Gedanken beherrscht, wie gut es doch war, jemanden berühren zu können. Es waren Jahre vergangen, seit sie zum letztenmal einen warmen menschlichen Körper an ihrer Haut gespürt hatte. Sie lagen im Alter nur ein Jahr auseinander, und als Kinder hatten sie sich sehr nahegestanden. Ihr Bruder Alex war zu sehr mit sich selbst beschäftigt und sich als Titelanwärter zu gut gewesen, um seine Zeit an ein Mädchen zu verschwenden. Aber sie und Vellie waren Freunde gewesen.
    Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er als Kind von neun Jahren aus dem Haus geschickt worden war. Das war der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen. Die Vision von Vellie, ihrem innig geliebten Freund, ihrem

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