Zwischen uns das Meer (German Edition)
Vereinigten Staaten. Und die vom Raptor.
Wie gerne hätte sie sich jetzt an Michael gelehnt und sich von ihm in den Arm nehmen lassen, aber sie richtete sich nur auf und hob leicht das Kinn. Vielleicht war dies der letzte Augenblick, in dem sie noch Chief Warrant Officer Zarkades war, und sie würde verdammt sein, wenn sie die Uniform entehrte!
Am Sarg standen Carl und Seth, beide ganz in Schwarz, mit ausdrucksloser Miene und verwirrt. Neben ihnen weinte Tamis Mutter.
Jolene ging zu Seth und legte ihm den Arm um die Schultern. Sie sah Tränen in seinen Augen glitzern und schaffte es nur mit äußerster Beherrschung, nicht zu weinen. Sie konzentrierte sich auf jeden einzelnen Atemzug und blieb durch reine Willenskraft gefasst.
Und dann begann die Trauerfeier. Michael führte sie zu einem der Klappstühle, die für die Familie reserviert waren. Es schmerzte, Seth und Carl anzusehen, als sie neben ihr Platz nahmen, aber sie wollte ihnen unbedingt vermitteln, wie leid es ihr tat. Erstaunlicherweise blickten sie sie zwar traurig, aber nicht verurteilend an. Das vergrößerte nur ihre Schuldgefühle.
Irgendwo ertönte ein Dudelsack.
Dieses Mal schloss Jolene die Augen. Sie hörte die hohen, klagenden Töne des Instruments, die dumpfen, gleichmäßigen Schritte marschierender Soldaten und wusste, dass sie hinter dem Sarg Aufstellung nahmen.
»Wir sind heute hergekommen, um uns von einer ganz besonderen Frau zu verabschieden. Chief Warrant Officer Tamara Margaret Flynn …«
Jolene wagte es, die Augen zu öffnen.
Neben Tamis Sarg stand der Geistliche ihrer Kirche. Er hatte kein Mikrofon, weil niemand mit so vielen Trauergästen gerechnet hatte, aber die Menge wurde sofort so still, dass man nur noch die Fahnen im Wind flattern hörte. »Für uns war sie nicht Tamara, sondern nur Tami, das Mädchen, das mit den Jungen auf Bäume kletterte und ausgelassen über den Strand rannte. Ich weiß noch, dass ihre Mutter sich verzweifelt fragte, ob Tami jemals gesittet genug werden würde, um einen Beruf zu ergreifen.« Er blickte den Hügel hinauf.
Jolene wusste, was er jetzt sah: Hunderte von Menschen und über die Hälfte davon in Uniform. »Aber sie ergriff einen Beruf, und ich muss sagen, ich war nicht überrascht, dass ihre Leidenschaft das Fliegen war. Sie liebte es. Einmal sagte sie zu mir, damit käme sie Gott näher, als sie sich je vorgestellt hätte.«
Er blickte kurz auf seine Hände und dann wieder zur Menge. »Wir haben sie verloren, und diese Wunde wird niemals heilen. Wir haben sie in einem fernen Land verloren, als sie etwas vollbrachte, was die meisten von uns nicht mal ansatzweise begreifen können. Wir fragen uns, wie es möglich ist, sie so zu verlieren. Aber dann erkennen wir: So war Tami. Wenn jemand Hilfe brauchte, war sie als Erste zur Stelle. Natürlich hat sie sich in Gefahr gebracht. Das war eben Tami.«
Jolene hörte, wie Seth ein Wimmern von sich gab. Sie nahm seine Hand. Er klammerte sich daran.
»Wir danken Tami heute als Freunde und als Amerikaner, dass sie uns gedient hat. Sie hat alles gegeben, um uns zu schützen, und ist damit eine wahre Heldin. Aber auch das wussten wir schon lange. Wir wissen nicht erst seit heute, dass sie eine Heldin war. Seth und Carl, die sie mit einer Hingabe liebte, die nur noch ihrem Mut gleichkam, möchte ich sagen, dass ihr euch immer an sie erinnern solltet. An jeden einzelnen Aspekt ihrer Persönlichkeit. Und wenn ihr in den Himmel blickt, stellt euch vor, dass sie jetzt dort oben ist, in ihren geliebten Lüften, ganz nahe beim Herrn. Sie würde nicht wollen, dass wir um sie trauern.« Er wandte den Blick hinauf und sagte leise: »Leb wohl, Tami. Friede sei mit dir.«
Er trat beiseite und machte einem uniformierten Soldaten Platz. Dieser entfernte die Fahne vom Sarg und faltete sie mit Hilfe eines zweiten Soldaten zu einem ordentlichen Dreieck. Dann wandte er sich zu Captain Ben Lomand, der in der Nähe stand, salutierte und überreichte ihm die Fahne. Ben drehte sich auf dem Absatz um und brachte sie zu Carl.
Jolene sah, dass Carls Hände zitterten, als er sie übernahm.
Im Hintergrund richteten zwei Reihen Soldaten ihre Gewehre in den Himmel und schossen. Einen Salut mit einundzwanzig Gewehren. Carl stand auf und ging zum Sarg. Lange Zeit stand er dort mit gesenktem Kopf; dann legte er eine rote Rose auf den schimmernden Mahagonideckel. Seth folgte ihm. Als er eine Rose auf den Sarg legte, wollte sie herunterrutschen. Schnell hielt er sie fest und
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