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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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gemacht. Sie hatte Michael ihr Herz buchstäblich geschenkt und nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, er könnte unachtsam damit umgehen. Selbst als er sich in den letzten Jahren immer mehr von ihr zurückzog und seiner Arbeit widmete, hatte sie an die Einhaltung ihrer Gelübde geglaubt und Entschuldigungen für ihn gesucht. Wie Pollyanna, die nie die Hoffnung aufgegeben hat …
    Sie hörte, wie unten eine Tür zuschlug und dann ein Wagen ansprang. Sie stolperte zum Fenster, sah zu, wie er davonfuhr, und fragte sich, ob er wiederkommen würde.
    Er kam nicht zurück.
    Jolene verbrachte die unerträglichen Stunden der Nacht mit Putzen und Wäschewaschen. Sie wischte und saugte Staub, polierte Silber und schrubbte die Toiletten – alles, um nicht an sein Ich liebe dich nicht mehr zu denken.
    Aber es funktionierte nicht. Diese Worte hatten ihr Bild vom Leben, wenn nicht sogar ihr Selbstbild, verändert.
    Fünf Wörter hatten ihre Welt verändert und ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Der Satz war wie eine Flutwelle, die ohne Vorwarnung über sie hereinbrach, alles um sie herum fortriss und nur Trümmer hinterließ.
    Am Morgen konnte sie sich vor lauter Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten. Gleichzeitig war sie so unruhig, dass sie keinen Kaffee machte. Mehr als alles andere wünschte sie sich, diesem allzu stillen Haus zu entfliehen, einfach in ihren Helikopter zu steigen und davonzufliegen. Stattdessen joggte sie im rosafarbenen Licht der Morgendämmerung acht Meilen, aber das half ihr auch nicht.
    Als sie zurückkam, duschte sie lange, zog sich ihre zerschlissenen Jeans und ein graues Sweatshirt von der Army an und ging Betsy wecken. »Hey, Betsy«, sagte sie und zwang sich zu lächeln. Sie hätte am Abend zuvor mit ihrer Tochter sprechen sollen – das hätte eine gute Mutter getan, eine, die stärker war, aber Jolene hatte Angst, vor ihrem Kind zusammenzubrechen, zu weinen und Betsy noch mehr Angst einzujagen.
    »Sag nichts«, erwiderte Betsy dumpf.
    »Ich weiß, dass Daddy mit dir geredet hat. Ich dachte …«
    »Ich will NICHT darüber reden.«
    Jolene verstummte, sie wusste ohnehin nicht, was sie sagen sollte. Wie sprach man mit einem Kind über solche Erwachsenenangelegenheiten? Sie hatte nie genau gewusst, wann sie auf Betsy zugehen und wann sie sich zurückhalten sollte. Sie hatte sie ständig bedrängt, wenn sie hätte loslassen sollen. Das war eine von Jolenes Schwächen: Sie wusste nur, wie man an etwas festhielt. Nicht, wie man losließ.
    Aber eins sah sie ganz deutlich: Betsy war verängstigt und verwirrt, und das machte sie wütend. Jolene konnte ihr nicht helfen. Wie sollte sie über etwas reden, was sie selbst nicht verstand?
    Also ging Jolene zu ihrer Tochter, zog sie hoch und nahm sie in die Arme. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um die Umarmung nicht mit schalen Worten des Trostes zu verderben, aber sie schaffte es, Betsy einfach nur im Arm zu halten.
    Sie spürte, wie ihre Tochter angespannt seufzte, und wusste, wie sie sich fühlte. Es war beängstigend, die eigenen Eltern streiten zu sehen. Sie wusste, dass Betsy den vergangenen Abend nicht vergessen hatte und Michaels Abwesenheit sicher bemerken würde.
    Da kam Lulu ins Zimmer und zog ihre gelbe Decke hinter sich her. »Hey, ich will auch umarmt werden.«
    Jolene streckte eine Hand aus, und Lulu stürzte los und schmiegte sich an ihre Schwester. Einen Moment lang standen sie einfach so da, dann zog Lulu sich zurück. Sie kratzte sich die zerzauste dunkle Mähne und schob sie sich aus dem Gesicht. »Darf ich Cap’n Crunch haben?«
    »Nein, Cap’n Crunch ist nur für besondere Gelegenheiten«, erwiderte Jolene automatisch.
    »Aber heute könnte doch was Besonderes sein«, bettelte Lulu.
    »Eher im Gegenteil«, sagte Betsy verbittert.
    »Wieso?«, wollte Lulu wissen.
    Jolene seufzte. »Kommt, Mädchen. Lasst uns Frühstück machen.«
    Als sie nach unten gingen, spürte Jolene Betsys Blick. In der Küche kam es ihr vor, als würde Betsy alles bemerken: ihre zitternden Hände, als sie Mehl und Eier für die Pancakes herausholte, ihr wiederholtes Seufzen, die Art, wie sie den Kühlschrank aufriss und blicklos hineinstarrte. Schließlich hielt sie den bohrenden Blick nicht länger aus. Sie gab den Mädchen Cheerios zu essen.
    »Wo ist Daddy?«, fragte Lulu, ganz darauf konzentriert, so viele Cheerios wie möglich auf den Löffel zu bekommen.
    »Arbeiten«, antwortete Jolene und fragte sich, wie sie es erklären sollte,

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