Zyklus der Erdenkinder 02 - Ayla und das Tal der Pferde
woraufhin der Wisent augenblicklich herumfuhr.
Als er hinsah, steckte Aylas Waffe dem jungen Tier zitternd im
Auge; es war tot, bevor es zusammenbrach.
Das Laufen, das Geschrei und der neue Blutgeruch brachte die
heillos durcheinanderwurlende Wisentherde dazu, gemeinsam die Flucht zu ergreifen – fort von dem beunruhigenden Geschehen. Die letzten Nachzügler schlugen einen Bogen um ihre gefällten Artgenossen, und mit donnernden Hufen raste die riesige Herde davon. Das Donnern der Hufe war immer noch zu
hören, als der Staub sich längst gesetzt hatte.
Dem Mann und der Frau verschlug es für einen Moment die
Sprache, als sie die beiden erlegten Wisente auf der sonst leeren
Steppe liegen sahen.
»Es ist vorbei«, sagte Ayla, immer noch benommen. »Einfach
so.«
»Warum bist du denn nicht weggelaufen?« rief Jondalar
erregt; jetzt, wo sie vorüber war, brach die Angst sich bei ihm
Bahn. Er kam auf sie zugeschritten. »Er hätte dich töten
können!«
»Wie hätte ich einem angreifenden Bullen den Rücken
zukehren sollen! Das ging doch nicht!« hielt Ayla ihm entgegen.
Sie sah sich den Wisent genauer an. »Nein, dein Speer hätte ihn
wohl davon abgehalten … aber woher sollte ich das wissen? Ich
habe noch nie zuvor mit jemand zusammen gejagt, habe immer
für mich selbst aufpassen müssen. Hätte ich das nicht getan,
niemand hätte sich um mich gekümmert.«
Ihre Worte rückten eine letzte Unklarheit zurecht, und
plötzlich stand Jondalar ein Bild klar vor Augen: So mußte ihr
Leben gewesen sein. Er sah sie auf eine neue Weise. Diese Frau,
dachte er, diese sanfte, liebevolle und fürsorgliche Frau hat
mehr überlebt, als irgend jemand für möglich gehalten hätte.
Nein, selbstverständlich hat sie nicht weglaufen können, vor
nichts und wieder nichts – nicht einmal vor dir. Wann immer
du dich bisher hast gehen lassen Jondalar, wann immer du aus
der Haut gefahren bist, sind die Menschen zurückgewichen. Sie
jedoch hat auch dann noch ihren Mann gestanden, als es am
allerschlimmsten, am allerbedrohlichsten war.
»Ayla, du schöne, ungezähmte, wunderbare Frau – schau, was
für eine Jägerin du bist!« Er lächelte. »Schau, was wir getan
haben. Zwei Wisente! Und wie wollen wir die jetzt nach Hause
schaffen?«
Als ihr das ganze Ausmaß dessen aufging, was sie geleistet
hatten, verzog sich ihr Gesicht zu einem Lächeln der
Zufriedenheit, des Triumphes und der Freude. Jondalar wurde
sich bewußt, daß er dieses Lächeln nicht oft bei ihr gesehen
hatte. Schön, wunderschön war sie, wenn sie so lächelte; sie
glühte, wie von einem inneren Feuer erhellt. Unversehens stieg
ein Lachen in ihm auf, ein hemmungsloses, ansteckendes
Lachen, in das sie gleich darauf einfiel – sie konnte gar nicht
anders. Es war ihr Siegesschrei, ihr Ruf, mit dem sie ihren Erfolg
verkündeten.
»Schau, was, für ein Jäger du bist, Jondalar!« sagte sie. »Das liegt an den Speerwerfern – dadurch ist alles soviel
einfacher. Wir haben uns dieser Herde genähert, und ehe sie
wußten, was ihnen geschah … zwei von ihnen! Überleg doch
mal, was das bedeutet!«
Sie wußte, was es für sie bedeuten konnte. Diese neue Waffe
setzte sie instand, immer allein zu jagen, sommers wie winters.
Sie brauchte keine Fallgruben mehr auszuheben. Sie konnte
unterwegs sein und jagen. Der Speerwerfer besaß sämtliche
Vorteile ihrer Schleuder und noch so viele mehr.
»Ich weiß, was das bedeutet. Du hast mir gesagt, du würdest
mir eine bessere Jagdweise zeigen, eine, die leichter wäre. Das
hast du getan, in einem Maße, wie ich es nur nicht hätte
träumen lassen. Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll … ich
bin so …«
Sie kannte nur eine Möglichkeit, ihrer Dankbarkeit Ausdruck
zu verleihen – so, wie sie es im Clan gelernt hatte. Sie hockte
sich zu seinen Füßen hin und senkte den Kopf. Vielleicht
klopfte er ihr nicht auf die Schulter, um ihr zu gestatten, es ihm
so zu sagen, wie es sich gehörte, aber sie mußte es versuchen,
»Was machst, du?« sagte er und griff hinunter, um ihr
aufzuhelfen. »So hock’ doch nicht so da, Ayla.«
»Wenn eine Clan-Frau einem Mann irgend etwas von
Wichtigkeit mitteilen will, hockt sie sich so vor ihn hin, um
seine Aufmerksamkeit zu erringen«, sagte sie und blickte auf.
»Mir ist es wichtig, dir zu sagen, wieviel mir dies bedeutet und
wie dankbar ich für die neue Waffe bin. Und dafür, daß du
mich die Worte gelehrt hast, und für alles …«
»Bitte, Ayla, steh auf«, sagte er und hob sie in die Höhe.
»Nicht ich
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