Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
klapperten. Ayla war ihr begegnet, doch wiewohl sie sich nicht unterhalten konnten, fühlte sie sich zu ihr hingezogen. Mamut hatte ihr erklärt, sie sei keine Medizinfrau wie Ayla, sondern eine, die mit der Geisterwelt in Verbindung treten konnte. Sie war das Sungaea-Gegenstück von Mamut – oder Creb, eine Erkenntnis, die Ayla traf wie ein Schlag. Es fiel ihr immer noch nicht leicht, sich eine Frau als Mog-ur vorzustellen.
Der Mann und die Frau mit den roten Gesichtern streuten roten Ocker über die Kinder, und Ayla mußte an die rote Ockerpaste denken, mit der Creb Izas Leib eingerieben hatte. Noch etliche andere Dinge wurden den Kindern zeremoniell ins Grab mitgegeben: gerade gebogene Elfenbeinstäbe vom Mammut, Speere, Flintmesser und Dolche, Schnitzereien, die ein Mammut, ein Wisent und ein Pferd darstellten – die sich freilich nicht mit den schönen Schnitzereien von Ranec messen konnten, wie Ayla fand. Verwundert bemerkte sie, daß neben jedes Kind ein langer Elfenbeinstab mit einer runden, speichenbesetzten, radförmigen Schnitzerei gelegt wurde, von der Federn und andere Dinge herunterhingen. Als die Angehörigen des Sungaea-Lagers in den schrill wehklagenden Gesang der Frau einstimmten, lehnte Ayla sich still vor und fragte Mamut im Flüsterton: »Diese Stäbe sehen aus wie der von Talut. Sind das auch Sprecherstäbe?«
»Ja, das sind es. Die Sungaea sind mit den Mamutoi enger verwandt, als manche Leute zugeben möchten«, sagte Mamut. »Es gibt einige Unterschiede, aber diese Bestattungszeremonie unterscheidet sich kaum von der unseren.«
»Warum werden denn schon Kindern Sprecherstäbe mit ins
Grab gegeben?«
»Sie bekommen all das mit, was sie brauchen, wenn sie in der
Geisterwelt erwachen. Als Tochter und Sohn der Anführerin
sind sie ein Geschwisterpaar, dem es bestimmt war, Anführer zu
werden, wenn nicht in diesem Leben, dann jedenfalls im
nächsten«, erklärte Mamut. »Ihr Rang muß sichtbar gemacht
werden, damit sie dort nicht an Ansehen verlieren.«
Ayla sah eine Zeitlang zu, doch als sie anfingen, die Gräber
zuzuschütten, wandte sie sich wieder an Mamut.
»Und warum werden sie Kopf an Kopf bestattet?«
»Es handelt sich um Bruder und Schwester«, sagte er,
gleichsam als sei damit alles erklärt. Doch als er Aylas verwirrten
Gesichtsausdruck bemerkte, fuhr er fort: »Die Reise in die
Geisterwelt kann lange dauern, schwierig sein und verwirrend,
zumal die beiden noch so jung sind. Sie müssen sich
miteinander verständigen, sich gegenseitig helfen und trösten.
Nun gilt es aber bei Der Mutter als abscheulich, wenn
Geschwister Wonnen teilen. Wachen sie jedoch Seite an Seite
auf, könnten sie vergessen, daß sie Bruder und Schwester sind,
und sich aus Versehen paaren; sie könnten ja meinen, sie
schliefen zusammen, weil sie zusammengegeben werden sollten.
Kopf an Kopf hingegen können sie einander auf der Reise Mut
zusprechen und brauchen dennoch keinerlei Zweifel über ihre
verwandtschaftlichen Beziehungen zu haben, wenn sie an ihrem
Bestimmungsort anlangen.«
Ayla nickte. Das erschien ihr logisch, doch als sie zusah, wie
das Grab zugeschüttet wurde, wünschte sie inbrünstig, doch ein
paar Tage früher hiergewesen zu sein. Möglich, daß sie nicht
mehr hätte helfen können; aber sie hätte es zumindest
versuchen können.
Talut hielt am Rand eines kleinen Wasserlaufs, blickte bachaufwärts und bachabwärts, vergewisserte sich dann auf der mit Zeichen versehenen Elfenbeintafel in der Hand. Sodann sah er nach dem Sonnenstand, studierte einige Wolkeninformationen im Norden und schnupperte im Wind. Schließlich besah er sich die nähere Umgebung genauer.
»Hier schlagen wir das Lager für die Nacht auf«, sagte er und legte Tragetasche und Kiepe ab. Dann ging er zu seiner Schwester hinüber, die gerade bestimmte, wo das Hauptzelt aufgeschlagen werden sollte, so daß die Zelte daneben, die einen Teil der Stützpfeiler des Hauptzeltes nutzten, möglichst viel ebenen Platz bekamen. »Tulie, was hältst du davon, wenn wir hierbleiben und ein bißchen Tauschhandel trieben? Ich habe mir die Karten angesehen, die Ludeg gemacht hat. Zuerst ist mir gar nicht klargeworden, wo wir eigentlich sind. Aber schau« – er zeigte ihr zwei verschiedene Elfenbeintäfelchen, die beide mit Zeichen bekritzelt waren – »das hier ist die Karte, die uns den Weg zum Wolfs-Lager zeigt, wo ja jetzt das Sommer-Treffen stattfinden soll, und hier ist die, auf der er flüchtig den Weg zum Sungaea-Lager eingezeichnet
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