Zyklus der Erdenkinder 03 - Ayla und die Mammutjäger
Rot, denn das war die Farbe, die dem Clan heilig war. Bei der Namensgebungszeremonie spielte eine Lederfärbepaste aus rotem Ocker und Fett – möglichst Höhlenlöwen-Fett – eine bedeutsame Rolle; ein Brocken roter Ocker war das erste, was in einen Amulettbeutel hineingehörte, den jemand umgehängt bekam, wenn festgestellt wurde, welches Totem er hatte. Roter Ocker gehörte von Anfang bis Ende des Lebens zu jedem Ritual, auch dem letzten, der Beerdigung. Der kleine Beutel mit den Wurzeln, aus denen man den Heiligen Trank bereitete, war der einzige rote Gegenstand, den Ayla besaß, und stellte – neben ihrem Amulett – ihren kostbarsten Schatz dar.
Mit einem vom Gebrauch ganz fleckig gewordenen riesigen Stück Leder kam Nezzie aus der Erdhütte heraus, sah Ayla und Deegie beieinander stehen und sagte: »Ach, Deegie, ich hatte gerade nach jemand gesucht, der mir helfen könnte. Ich dachte, ich koche ein ganz großes Gericht für alle. Die Wisentjagd ist erfolgreich verlaufen, und Talut meint, wir hätten allen Grund zu feiern. Würdest du dies hier fertig machen zum Kochen? Ich habe die Grube der großen Kochstelle mit Kohlen gefüllt und das Gestell darüber aufgebaut. Da draußen steht ein Beutel mit getrocknetem Mammutdung, um ihn auf die Kohlen zu streuen. Und Danug und Latie müssen Wasser holen.«
»Für eines deiner köstlichen Gerichte helfe ich dir jederzeit gern, Nezzie.«
»Kann auch ich helfen?« fragte Ayla.
»Und ich auch?« sagte Jondalar, der gerade herausgekommen war, um mit Ayla zu reden, und der das Gespräch mitbekommen hatte.
»Ihr könnt mir helfen, die Sachen herauszutragen, die ich zum Kochen brauche«, sagte Nezzie und machte kehrt, um wieder hineinzugehen.
Sie folgten ihr bis vor einen der aus den Stoßzähnen von Mammuts gebildeten Türbögen an der Längswand der Erdhütte. Nezzie zerrte eine besonders steife und schwere, nicht von den Haaren befreite Mammuthaut zur Seite. Die Doppelschicht des rötlichen Pelzes – die daunenweiche Unterdecke und die längeren Haare der Oberdecke – wies nach außen. Hinter diesem ersten hing noch ein zweiter Vorhang, und nachdem auch dieser beiseite gezerrt worden war, verspürten sie einen kalten Lufthauch.
Als sie in den dämmerig erhellten Raum hineinspähten, erkannten sie eine Grube, etwa von der Größe eines kleinen Wohngevierts. Die Grube war etwa drei Fuß tiefer als der Boden ausgehoben; die Wände bestanden aus bloßer Erde, und das Innere war fast bis zur Gänze ausgefüllt mit größeren und kleineren Fleischbrocken und ganzen gefrorenen Kadavern kleinerer Tiere.
»Vorräte!« sagte Jondalar und hielt die schweren Vorhänge beiseite, während Nezzie sich hinunterließ. »Auch wir halten Fleisch für den Winter gefroren, aber niemals so bequem nahe. Unsere Vorratslager legen wir unter überhängenden Felsen oder vor unseren Höhlen an. Allerdings ist es dort schwierig, das Fleisch gefroren zu halten, deshalb heben wir es draußen auf.«
»Beim Clan wird Fleisch während der kalten Jahreszeit in besonderen Verstecken unter Steinhaufen aufgehoben«, sagte Ayla. Jetzt begriff sie, was aus dem Wisentfleisch geworden war, das sie mit heimgebracht hatten.
Sowohl Nezzie als auch Jondalar schienen überrascht. Sie hätten es nie für möglich gehalten, daß die Leute vom Clan im Winter Fleischvorräte anlegten; es überraschte sie jedesmal aufs neue, wenn Ayla irgendwelche Tätigkeiten erwähnte, die so fortgeschritten, so menschlich schienen. Auf der anderen Seite war Ayla immer wieder überrascht, wenn Jondalar von dem Ort erzählte, wo er herkam. Ayla ging davon aus, daß alle anderen in der gleichen Art von Unterkünften lebten, und begriff nicht, daß Erdhütten für ihn genauso neu waren wie für sie.
»Hier gibt es nicht so viele Steine, um Vorratsverstecke im Boden anzulegen«, erklärte Talut mit seiner dröhnenden Stimme. Sie blickten auf und sahen den rotbärtigen Riesen auf sich zukommen. Er nahm Jondalar einen der schweren Vorhänge ab. »Deegie hat mir gesagt, du hättest beschlossen, ein Festmahl für alle zu kochen, Nezzie«, sagte er und grinste anerkennend. »Und da dachte ich, ich könnte dir vielleicht behilflich sein.«
»Dieser Mann riecht Essen, noch ehe es kocht!« erklärte Nezzie glucksend, während sie unten auf dem Boden der Grube herumkramte.
Jondalar interessierte sich immer noch für Vorratskammern. »Wie bleibt das Fleisch denn eigentlich gefroren? In der Erdhütte ist es doch warm«, sagte er.
»Im Winter ist
Weitere Kostenlose Bücher