Zyklus der Erdenkinder 06 - Ayla und das Lied der Höhlen
Süden.
Für Ayla war das alles Neuland, und natürlich für Jonayla, doch sie war noch klein, und es war unwahrscheinlich, dass sie sich in späteren Jahren noch daran erinnern würde. Auch Jondalar war die Gegend nicht vertraut, obwohl er wusste, dass er mit Willamar, seiner Mutter und ihren anderen Kindern bereits einmal hier gewesen war. Jonokol war nicht viel gereist, daher war es für ihn ebenfalls neu, und Amelana erinnerte sich nicht mehr an diese Region, obwohl sie auf dem Weg von ihrer Südlichen Höhle aus hier vorbeigekommen sein musste. Damals hatte sie einfach nicht darauf geachtet. Sie war ganz erfüllt gewesen von ihrem aufregenden neuen Gefährten, der es anscheinend nicht einen Moment ohne sie aushalten konnte, und von Tagträumen über ihr neues Heim. Die Erste war mehrfach in diesem Landstrich gewesen, doch das lag schon länger zurück, und sie erinnerte sich nur noch in groben Zügen daran. Der Handelsmeister indes kannte die Gegend gut. Er war mit seinen beiden Handelsburschen schon einmal hier gewesen, aber sie würden lernen müssen, sich ebenso gut auszukennen wie er. Willamar suchte nach bestimmten Orientierungspunkten, die ihm halfen, den Weg zu finden.
Ganz allmählich veränderte sich die Landschaft während ihrer Reise. Von Tag zu Tag wurde das Land bergiger und zerklüfteter. Sie trafen auf mehr zutage liegende Kalksteinfelsen, häufig von Gebüsch und sogar Wäldchen umgeben, und auf weniger Grasland. Obwohl sie an Höhe gewannen, wurde es allmählich wärmer, während der Sommer voranschritt, und auf ihrem Weg nach Süden veränderte sich die Vegetation. Sie sahen weniger Nadelbäume wie Fichten und Kiefern und mehr Laubbäume wie zum Beispiel Lärchen und die kleinblättrigen Arten wie Weiden und Birken, auch Obst- und Nussbäume und gelegentlich großblättrige Ahornbäume und Eichen. Selbst das Gras veränderte sich, Weidelgras wich Emmer und Dinkel, obwohl diejenigen Felder überwogen, auf denen zudem viele Kräuterpflanzen wuchsen.
Unterwegs erlegten sie eine Vielzahl an Groß- und Kleinwild und sammelten Pflanzen, mussten aber nichts für die kommenden Zeiten einlagern, daher war ihr Bedarf gering. Teilweise ging die Erste zu Fuß, wurde dabei im Lauf der Zeit immer ausdauernder, aber wenn sie ermüdete, setzte sie sich auf die Schleiftrage und hinderte den Tross nicht am zügigen Vorankommen. Ihre spezielle Schleiftrage wurde vor allem von Winnie gezogen, doch Ayla und Jondalar brachten auch die anderen beiden Pferde dazu, sich vor die große Schleiftrage spannen zu lassen. Obwohl sie sich so langsam fortbewegten, dass die Pferde am Wegesrand grasen konnten, kamen sie gut voran, und da das Wetter freundlich blieb, empfanden sie die Reise als angenehmen Ausflug.
Sie waren schon ein paar Tage in Richtung Südosten unterwegs. Dann wandte sich Willamar eines Morgens direkt nach Osten, zuweilen sogar etwas nach Norden, beinahe so, als folgte er einer Fährte. Sie erklommen einen hoch aufragenden Kamm, hinter dem ein Pfad begann, der jedoch kaum breit genug war für die ausladende Schleiftrage der Ersten.
»Vielleicht solltest du zu Fuß gehen, Zelandoni«, schlug Willamar vor. »Es ist nicht mehr weit.«
»Ja, ich glaube auch. Wenn ich mich recht entsinne, wird der Pfad weiter vorn noch schmaler.«
»Hinter der nächsten Biegung ist eine breite Stelle. Dort könntest du die Schleiftrage doch stehen lassen, Ayla«, meinte Willamar. »Ich glaube nicht, dass sie auf den Pfad passt.«
Ayla nickte. »Schleiftragen eignen sich nicht so gut für steile Pfade. Das haben wir schon früher festgestellt, nicht wahr, Jondalar?«
Als sie an die breite Stelle kamen, halfen sie der Donier herunter und schirrten das Pferd aus. Dann setzten sie ihren Weg fort, Willamar ging voran, und die anderen Reisenden folgten ihm. Ayla, Jondalar, Jonayla und die Tiere bildeten die Nachhut.
Nach einem steilen Anstieg über den im Zickzack verlaufenden Pfad erreichten sie ein weites grasbewachsenes Plateau, auf dem weiter hinten zwischen dem Rauch einiger Feuer eine Reihe mit Grassoden gedeckter Hütten aus Holz und Häuten zu sehen waren. Menschen standen davor und beobachteten die sich nähernden Besucher, doch Ayla konnte nicht erkennen, ob sie sich sonderlich freuten, die Reisenden zu sehen. Sie wirkten abwehrend, keiner lächelte, manche hielten Speere in den Händen, auch wenn sie auf niemanden gerichtet waren.
Ayla hatte früher schon Ähnliches erlebt und gab Wolf ein Zeichen, nah bei ihr zu bleiben. Sie
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