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01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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Finger bebten. Er biss die Zähne zusammen, als er nach ihm fasste … Bilder explodierten in seinem Inneren, klar und eindringlich …
    Gina mit einem schwarzen Strumpf um ihren Hals, ihre blinden Augen auf den leeren Gang gerichtet: Morgen wieder?
    Jay mit Blut, das sich wie Flügel hinter ihm ausbreitete: Ich wusste, du würdest kommen.
    Chloe, die an ihrem eigenen Blut erstickte und dabei die Hand nach Orem, ihrem Plüschorca, ausstreckte: Mein Dante-Engel. Schmerz bohrte sich unerträglich in sein Bewusstsein, dann verschwand dieses Bild wieder aus seinem Gedächtnis.
    Er nahm wieder wahr, was um ihn herum geschah und setzte sich auf den schuttübersäten Boden, die Hand über Luciens vor seinem Blick verborgenem Gesicht erstarrt, während sein Herz hämmerte und sein Kopf wehtat.
    Versprich mir, dass du mir nicht folgen wirst.
    »Verdammt«, murmelte Dante und schob erneut Luciens Haar beiseite.
    Blut rann aus mehreren Wunden in Luciens Gesicht und einem langen Schnitt an seinem Hals. Dante berührte seine Wange. Es überraschte ihn, dass seine Finger zu beben aufgehört hatten. Die Haut fühlte sich warm und trocken an.
    Er beugte sich vor und presste die Lippen auf Luciens, wo er Tränen und Blut schmeckte.
    Ich werde dich nicht verlieren. Der Gedanke kam ungehört zu ihm zurück. »Nein.«

    Dante richtete sich auf die Knie auf und ergriff den blutbefleckten Pfeil. Vorsichtig begann er daran zu ziehen. Nach wenigen Augenblicken löste sich das Holz aus der Wunde, aus der prompt Blut zu sprudeln begann. Das Blut war so dunkel, dass es fast schwarz wirkte. Dante warf den Holzschaft beiseite. Er fiel auf eine Bank, und der Laut, den er dabei machte, hallte unheimlich in der Kathedrale wider.
    Jetzt schlang er die Arme um Lucien und zog ihn an sich. Er hatte erwartet, sein Freund wäre schwerer, so dass sie beide beinahe auf den schmutzigen Boden fielen. Doch dann erinnerte er sich, wie mühelos sich der Engel vom Balkon in die Nacht gestürzt hatte, die schwarzen Flügel erst im letzten Moment entfaltend.
    Als Lucien in seinem Schoß lag, presste Dante die Hände auf dessen Brustwunde. Blut floss heraus und verklebte seine Finger. Luciens Herzschlag wurde immer langsamer. Die Glut seines Liedes erstarb, das Feuer seines Rhythmus verglühte.
    Dante führte seinen Arm an den Mund, biss sich ins Handgelenk und hielt es an Luciens Lippen. Blut lief herab, ohne dass Lucien auch nur einen Tropfen davon aufnahm.
    »Trink, verdammt. Wage ja nicht …« Die Worte erstarben auf Dantes Lippen. Seine Schläfen begannen qualvoll zu pochen. Er schloss die Augen. Seine Brust schmerzte, als hätte er einen heftigen Schlag auf das Brustbein bekommen. Pein umhüllte sein Herz.
    Ich werde nicht nutzlos herumsitzen und zusehen, wie noch jemand stirbt, der mir etwas bedeutet.
    Aber genau das hatte er getan.
    Ich wusste, du würdest kommen.
    Dante öffnete die Augen und schlitzte seine heilenden Handgelenke erneut mit seinen Reißzähnen auf. Er trank sein Blut, bis es seinen ganzen Mund füllte. Dann beugte er sich
über Lucien, küsste ihn und öffnete mit der Zunge die kühlen Lippen des Engels. Sein Blut rann wie Glühwein in Luciens Mund.
    Dante atmete in Luciens Mundhöhle und versuchte, die Glut des Lieds mit karminrotem, heißem Leben wieder zu entfachen. Sein eigenes Lied floss in seinen Freund – geheimnisvoll, wild und wütend –, bahnte sich einen Weg durch Luciens Adern und Nervensystem und durchflutete ihn mit bläulichem Licht.
    Er erinnerte sich an Luciens schwarze, samtige Flügel, die einen Stich ins Rote hatten. Er dachte an die Stärke seiner Knochen, an die Dicke der Krallen. Er erschuf Lucien neu, wie er ihn in Erinnerung hatte und webte dabei blaues Licht in den Kern seines Wesens, während er die Fäden löste und wieder verknüpfte.
    Du wirst nie mehr allein sein, Kind.
    Wie ein Schraubenzieher bohrte sich der Schmerz hinter Dantes linkes Auge. Sein Lied flammte auf, und er brannte gemeinsam mit ihm. Haut und Fleisch heilten. Knochen sprangen, wieder heil, an ihren angestammten Ort zurück. In der Membran der Flügel schlossen sich Löcher und Risse.
    Wiederhergestellt? Neu erschaffen? Dante wusste es nicht.
    Erschöpft und bebend beendete er den Kuss. Als er den Kopf hob, öffnete Lucien die Augen. In seinen Augen zeigte sich größte Verwirrung.
    »Genevieve?«
    Es war ein Name, den Dante noch nie gehört hatte, doch das war egal. Luciens Herz schlug wieder langsam und stark, und Leben funkelte wieder

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