01 - So nah am Paradies
machte ihr etwas aus, und gerade darum hatte seine Anschuldigung sie so niedergeschmettert. Doch sie durfte sich nichts anmerken lassen, das brachte nur neue Demütigungen.
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„Also gut, Sie sollen bekommen, was Sie hören wollen: Ich will aus meiner Ehe, aus dem Ruhm und dem Ansehen meines toten Mannes Gewinn
schlagen. Da Janice Rockwell das Buch lesen wird, will ich sichergehen, dass sie mit den Ergebnissen zufrieden ist. Ich will ihr deutlich zu verstehen geben, wie gefestigt meine Ehe mit Chuck war. Und sollten Sie irgendwo Schmutz ausgraben, dann kommt der nicht von mir. Zufrieden?"
Er ließ ihren Arm los. Sie hatte in
Sekundenschnelle das, was er von ihr gedacht hatte, bestätigt und das, was er für sie zu empfinden begonnen hatte, wieder zerstört. „Ja, ich bin zufrieden."
„Gut. Wenn Sie weitere Fragen haben, stellen Sie sie morgen, wenn der Kassettenrekorder läuft."
Dorian sah ihr nach und fragte sich, wie lange er brauchen würde, um die Lügen von der Wahrheit unterscheiden zu können.
Normalerweise wachte Alana schnell auf und war dann nach einer Tasse Kaffee ganz da. Doch heute fand sie nur mit Mühe aus dem Bett. Sie spürte jeden Muskel, und in ihren Schläfen klopfte es unangenehm. Sie schob es auf die schlaflose Nacht zurück und begann ihre Tagesroutine nur mit halber Kraft.
Nachdem die Jungen sich auf ihren Schulweg gemacht hatten, gönnte sie sich noch eine Tasse Kaffee, um sich in Schwung zu bringen. Doch sie fühlte sich immer noch schlapp, als sie sich ihre Jacke überzog. Die Sonne schien hell, und die milde Luft war schon ein erster Vorbote des Frühlings.
Doch Alana fröstelte und bedauerte, nicht noch einen Pullover übergezogen zu haben. Eine Erkältung, dachte sie, als sie sich über den schmerzenden Nacken rieb. Für so etwas hatte sie einfach keine Zeit. Mit automatischen Bewegungen sammelte sie die Eier ein und ging in den Pferdestall. Die Boxen mussten gereinigt werden, die Pferde gefüttert und gestriegelt. Zum ersten Mal überhaupt spürte sie einen Widerwillen gegen ihre Arbeit. Sie tat den ganzen Tag nichts anderes, als für Ordnung zu sorgen, Probleme zu lösen und die notwendigen Arbeiten zu verrichten. Wann hatte sie einmal Zeit für sich? Zeit, um sich zu entspannen und vielleicht ein Buch zu lesen.
Ein Buch. Sie hätte fast laut gelacht. Jetzt war wirklich nicht die Zeit, um an Bücher zu denken -
wenigstens nicht an ein bestimmtes.
Sie hatte vergessen, was es hieß, verletzt zu werden.
Es war schon zu lange her, dass sie eine Beziehung zu jemandem gehabt hatte, der sie überhaupt verletzen konnte.
Beziehung? So konnte das zwischen ihr und Dorian nun wirklich nicht genannt werden. Es war weiter nichts als ein Geschäft. Dabei sollte es ihr doch völlig gleichgültig sein, dass er sie für berechnend hielt ... womit seine Meinung von ihr wahrscheinlich noch freundlich ausgedrückt war.
Wenn sie jetzt ihren verletzten Gefühlen freien Lauf lassen würde, würde sie damit nichts erreichen.
Immerhin hatte sie einen Vertrag unterschrieben und war verpflichtet, ihn einzuhalten.
Wo endeten eigentlich ihre Verpflichtungen?
Zuerst war sie Chuck gegenüber verpflichtet gewesen, dann ihren Kindern. Und nun war sie wegen ihrer Kinder wieder Chuck - wenn auch indirekt - verpflichtet. Sollte Dorian doch von ihr denken, was er wollte, solange er nur das Buch schrieb.
Müde lehnte Alana den Kopf an die Stute. Wie sollte sie klar denken können, wenn es in ihrem Kopf hämmerte? Aber sie musste. Sie durfte Dorian gegenüber nicht die Beherrschung verlieren. Denn würde es sich nicht in seinem Buch niederschlagen, wenn er das Schlimmste von ihr annahm?
Verdammt, was kümmerte es ihn, warum sie eingewilligt hatte, dass das Buch herauskam? Er wurde nur dafür bezahlt, es zu schreiben. Ihre Motive hatten nichts mit der Geschichte über Chucks Leben zu tun. Und doch hatten sie alles damit zu tun.
Alana erinnerte sich wieder an den Morgen, als die Sonne ihr Gesicht erwärmtJiatte und Dorian sie im Arm hielt - sie begehrt hatte. Sie konnte sich noch ganz genau an seinen Blick erinnern und an das Gefühl, als seine Lippen ihren Mund gestreift hatten.
Und einen Augenblick lang wünschte sie, Dorian könnte jemand sein, auf den sie sich verlassen, dem sie vertrauen könnte. Nun, das war wirklich naiv. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass er eine Arbeit zu erledigen hatte. Genauso wie sie.
Als Alana mit der ersten Box fertig war, war sie schweißgebadet. Die Mistgabel kam
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