0158 - Wenn die Wolkenkratzer wackeln
heruntergeholt hatten. Er lag vor uns auf dem harten Pflaster, mit geschlossenen Augen und ohne ein Zeichen, daß noch Leben in ihm war. Das Gesicht hatte schon eine dunkle Färbung angenommen, als der Arzt von dem heranjagenden Krankenwagen sprang und auf uns zustürzte. Seine- Tasche flog auf die Erde, und er leuchtete mit einer starken Lampe in das Gesicht des Opfers. Es war ein junges Gesicht, und erst jetzt sahen wir, daß die dunkle Färbung natürlich war. Es war eine braune Haut, die vor uns im Licht der Laterne und der Stablampe schimmerte. Der Arzt kniete im Straßenschmutz und horchte den leblosen Körper ab. Er riß das Hemd auseinander, versuchte es auf vielerlei Weise und richtete sich endlich resigniert auf.
»Zwecklos«, sagte er nur.
Eine Weile waren wir alle stumm. Dann fragte Phil mit klangloser Stimme: »Halswirbelbruch?«
Der Arzt schüttelte den Kopf: »Nein. Dann hätte ich ihn nicht zu untersuchen brauchen. Er ist hochgezogen und erdrosselt worden. Er ist langsam gestorben.«
Der Arzt betrachtete seine Hände, die mit dem Toten in Berührung gekommen waren. Dann wischte er sie an dem Taschentuch ab, beugte sich noch einmal zu dem regungslosen Körper und fuhr über das Gesicht. Wo seine Finger die Haupt berührt hatten, blieben weiße Streifen.
»Zum Teufel«, schnaufte der Doktor, »der Junge ist ja braun geschminkt?« Er ließ sich ein Tuch reichen, während wir alle gespannt zusahen, und wischte die braune Farbe vom Gesicht des Toten ab. Die Züge traten immer mehr hervor, und im gleichen Maße kam er mir bekannter vor. Ich leuchtete ihn noch einmal an, und dann war meine Stimme heiser vor Erregung, als ich sagte: »Ich kenne den Jungen.«
»Was?« fuhr Mr. High auf.
»Ja. Wir hatten ihn gestern abend schon einmal zum Verhör, vom ersten Fall her. Giacomo Laudi heißt er. Gestern war er angeblich ohne seine Schuld in die Menge geraten, als er mit seinem Mädchen aus dem Kino kam. Er ist es, da gibt es keinen Zweifel!«
»Und jetzt haben sie ihn erhängt!« sagte Phil leise. »Weißt du etwas über seine Familie, über das Mädchen?«
»Nein.«
Die Träger kamen, Tioben den Toten auf und trugen ihn zum Wagen. Wir standen dabei, bis sich die weißllackierten Türen schlossen und der Wagen anfuhr.
Leutnant Cresham kam herbei und meldete, daß sonst in der Straße nichts zu melden sei. Die Menschenmenge habe sich völlig aufgelöst. In den Lokalen werde zwar noch heftig darüber debattiert und auf die Polizei geschimpft, aber sonst sei alles ruhig. »Ich hätte größte Lust, einmal durch die Lokale zu schlendern und zu hören, was man so darüber spricht«, sagte ich nach einer Weile.
Phil nickte. »Erscheint mir auch ganz aussichtsreich. Meinen Sie nicht, daß die Vernehmungen im Hauptquartier noch Zeit haben, Mr. High?« Der Chef überlegte kurz und gab seine Zustimmung. »Wir müssen herausbekommen, wo der Aufruhr entstand. Wir müssen es wissen, um morgen die Leute warnen zu können. Ich sehe keine andere Möglichkeit, mit dieser Erscheinung fertig zu werden. Horcht ein bißchen herum. Alles andere können wir morgen früh, besprechen. Und wenn etwas besonderes ist, bin ich während der Nach! im Hauptquartier zu erreichen. So long, Phil und Jerry!«
Wir tauschten nur einen kurzen Blick des Einverständnisses. Dann steuerten wir auf verschiedenen Wegen los, um unser Glück in den Spelunken dieses Viertels zu versuchen. Es ging schon auf Mitternacht.
***
Ich war nicht in der Laune, jetzt noch eine Runde durch die Lokale dieser Gegend zu machen, und schon gar nicht allein. Aber es war wohl am besten so, denn hier hatten wir noch eine Chance, wenigstens kleine Hinweise über den Hergang der Zusammenrottung zu bekommen.
Ich bog in die erste Nebenstraße ein und sah das Schild einer kleinen Bar. Es war schließlich egal, wo ich anfing, und so steuerte ich gleichmütig hinein.
Der Raum war überheizt und voll dichter Rauchschwaden. Ich lehnte mich neben ein paar Männer in mittlerem Alter an die Bartheke und verlangte einen Whisky mit Soda. Mir war die Kehle trocken geworden, und ich hatte richtigen Durst.
Neben mir war die Unterhaltung in vollem Gange. Einer mit einem rotem Gesicht verfocht seine Ansicht lautstark und ohne einen anderen zu mehr als drei Worten kommen zu lassen. Ich trank einen Schluck und hörte aufmerksam zu.
»… nicht ganz in Ordnung, Freunde«, polterte er, »aber das muß ich sagen: Vor Gericht gehören sie alle miteinander! Und zwar vor ein sauberes
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