0193 - Duell der Magier
Das Glas war eindeutig von innen zerstört worden. Wie war das möglich?
Es konnte doch kein kleines Männchen vom Mars im Schrank gesessen haben!
Unwillkürlich beugte er sich vor, suchte den Diamanten zwischen den Fläschchen. Zu seiner Erleichterung sah er ihn sofort. Er war also nicht doch auf irgendeine Weise von einem Dieb entfernt worden.
»Aber was, bei allen Heiligen, hat das Glas zertrümmert?«
Langsam streckte er die Hand aus, um den Diamanten zu ergreifen, an den er in den letzten Tagen gar nicht mehr gedacht hatte. Die Idee seines neuen Romans hatte ihn so in ihrem Bann gehalten, daß er dem so unerwartet gewonnenen geheimnisvollen Superreichtum nicht einmal einen einzigen Gedanken geschenkt hatte.
Das passiert auch nur mir! dachte er. Da habe ich eine Million im Schrank liegen und vergesse sie einfach!
Seine Finger berührten den Diamanten, und plötzlich fiel ihm ein seltsames Leuchten auf. Es ging von dem Edelstein aus und erhellte das Zimmer. Draußen war es düster geworden. Die Gewitterfront, die sich angekündigt hatte, hatte Kassel erreicht.
Warum leuchtet das Ding so? fragte Stanton sich und hielt den Diamanten zwischen Daumen und Zeigefinger.
Plötzlich glaubte er im Innern des kunstvoll geschliffenen Steins ein Gesicht zu sehen. Nein, zwei - eines, das dunkel und unkenntlich war, und einen Totenschädel.
»Was?« stieß er unwillkürlich hervor und sah konzentrierter hin. Aber im gleichen Moment wurde der Diamant in seinen Fingern glühend heiß!
Mit einem Aufschrei ließ er ihn fallen.
Da zuckte ein Blitz durch den Abend.
Kam durch die massive Hauswand und schlug genau im zu Boden fallenden Diamanten ein.
Ein entsetzter Schrei entrang sich Stantons Kehle, als von einem Augenblick zum anderen das Zimmer in gleißendes Feuer gehüllt wurde!
***
Nicole brauchte erheblich mehr Zeit als Zamorra, sich wieder gesellschaftsfähig anzukleiden. Während er sich im Seidenhemd und hellem Sommeranzug versteckte, wirbelte Nicole von Koffer zu Koffer, verstreute den Inhalt wahllos über das gesamte Zimmer und nahm schließlich einen Hosenanzug und vier verschiedenfarbige Kleider in die nähere Auswahl.
»Nur gut«, murmelte Zamorra, »daß wir nicht mehr in der Steinzeit leben.«
Nicole wandte den Kopf. »Wieso das?« wollte sie wissen.
Der Parapsychologe grinste unverschämt. »Nun - ich möchte nicht jeden Tag mit einem Bären oder Tiger raufen müssen, nur damit du immer etwas anderes anzuziehen hast.«
»Als emanzipierte Frau würde ich das selbstverständlich persönlich erledigen«, behauptete Nicole, warf angriffslustig den Kopf in den Nacken und sah mehr denn je wie eine kriegerische Amazone aus, aber eine verteufelt hübsche, wie Zamorra zugeben mußte. »Wo ist der Tiger?«
Zamorra erhob sich aus dem Sessel, von dem aus er zugesehen hatte, wie seine süße Nici ihr ganz persönliches Chaos ausbreitete. »Wir werden dein Kleiderproblem jetzt auf ganz einfache Weise lösen«, sagte er. »Ich schließe die Augen, drehe mich dreimal um mich selbst und tippe dann blind auf irgend etwas. Und das wird dann angezogen, sonst sind wir morgen früh noch nicht aus dem Haus.«
Nicole blieb skeptisch. »Und wenn da, wo du hintippst, zufällig nichts liegt?«
Er hob die Brauen. »Dann bleibst du eben nackt…«
»Das könnte dir so passen!« fauchte Nicole. »Schlimm genug, daß du dich nicht umdrehst, wenn ich hier so vor dir stehe!« Sie begann endlich doch eine passende Kollektion zusammenzustellen.
Draußen zuckten Blitze auf und begann Donner zu rollen. »Also sind auch Regenschirme angebracht«, vermutete Nicole.
»Das Gewitter wird ziemlich schnell wieder vorbei sein«, prophezeite Zamorra, während seine Hand nach dem Amulett griff, das er bis jetzt auf der Bettdecke liegengeiassen hatte. Er hängte es sich um und verstaute es unter dem Hemd. Man mußte nicht unbedingt mehr als nötig auffallen. Wieder zuckte ein Blitz durch den wolkenverhangenen Abend.
»Eigentlich müßtest du dich jetzt furchtsam in meinen Arm schmiegen«, verlangte Zamorra.
»Ich bin eben eine emanzipierte Frau, sagte ich das nicht schon?« erwiderte sie und kämpfte mit einem knöchellangen Kleid, das dafür indessen sehr rückenfrei war. »Bezaubernd«, stellte Zamorra mit Kennerblick fest.
»Laß dir mal bessere Komplimente einfallen. Sie werden allmählich so abgedroschen und fade wie eine Tube Uhu von Neckermann.«
»Nanu«, murmelte Zamorra überrascht. Nicole auf dem Kriegspfad? War ihr eine Laus
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