0215 - Das Ölmonster
strafenden Blick von Sir James ein.
»Und Sie, Sir?«
»Danke, ich trinke nichts.«
Djemal Faruk bediente uns selbst. Ich bekam meinen Scotch, der eine wunderbar goldene Farbe aufwies. Ein edler Tropfen, fürwahr, den ich auch genußvoll trank.
Der Saudi hatte uns gegenüber Platz genommen, die Hände gefaltet, die Stirn in Falten gelegt. »Sicherlich suchen Sie nach einer Erklärung, meine Herren«, begann er und blickte uns an.
Ich stellte mein Glas auf die mit Goldfäden durchwobene Platte des Schiefertisches. »Da liegen Sie nicht falsch, Mr. Faruk.«
»Ich habe mir wirklich den Kopf darüber zerbrochen, das können Sie mir glauben, aber ich bin zu keinem Resultat gekommen. Der gesamte Vorgang ist so unwahrscheinlich, daß man ihn überhaupt nicht fassen kann.«
»Auch Dämonen oder Geister tun nichts ohne Motiv«, antwortete ich, »wobei ich die Existenz dieser Wesen voraussetze, und sie als Orientale werden mich da sicherlich verstehen können, denn gerade in ihrem Kulturbereich gibt es die Märchen, Legenden und Geschichten, die auch heute noch erzählt werden.«
Er nickte. »Wie Sie sagten, Mr. Sinclair, das sind Märchen.«
»Sie haben sich erfüllt«, hielt ich dagegen, »deshalb muß es meiner Ansicht nach einen Grund für den Angriff geben.«
Djemal Faruk lehnte sich zurück und legte seinen Arm auf die Lehne.
»Wenn wir die Realität einmal beiseite lassen und wirklich in das Reich der Fabel oder Sage gehen, dann muß ich Ihnen recht geben, Mr. Sinclair. Es existiert in der Tat eine alte Legende oder Sage, die sich in unserem Land ausgebreitet hat.«
Sir James nickte aufmunternd. »Bitte reden Sie.«
»Kennen Sie ElChadd?« Der Mann kam direkt zur Sache, ohne blumenreich auszuschmücken, wie es die meisten Orientaler taten.
Dafür hatte er sicherlich zu lange in Europa gelebt.
»Nein«, antwortete Sir James und ich wie aus einem Munde.
»ElChadd ist eine Institution. ElChadd ist ein Geist, ein gefährlicher Dschinn und Herrscher der Tiefe.«
»Hat er etwas mit dem Wasser zu tun?«
»Nein, nein. Das Gegenteil ist der Fall. Er bewacht das Gold der Tiefe. Das Schwarze Gold.«
»Öl!« stellte der Superintendent fest.
»Genau. Die Legenden und Sagen berichten, daß es den Menschen nicht erlaubt ist, die Schätze der Erde so rücksichtslos auszubeuten. Und ElChadd ist eben der Hüter. Er steht auch nicht auf der Seite des Scheitans, des Teufels also, sondern soll ein Dschinn sein, der sich zwischen den Fronten bewegt. Ein gewaltiger Erdgeist, der es gelernt hat, die Menschen zu hassen, wenn sie ihm etwas antun wollen.«
»Und jetzt hat er zugeschlagen.«
»Ja, aber nicht zum erstenmal.«
»Das war bereits die zweite Warnung?« fragte Sir James überrascht und schaute mich an, denn auch ich wunderte mich. »Haben Sie schon einen Anschlag erlebt, Mr. Faruk?«
»Ja, Mr. Sinclair. Allerdings nicht hier, sondern in meinem Heimatland Saudi-Arabien.«
Als er unsere gespannten Gesichter sah, senkte er den Blick, und um seine Mundwinkel zuckte ein Lächeln. »Was ich Ihnen jetzt berichte, hört sich unwahrscheinlich an, aber es ist leider eine Tatsache, denn wir müssen nun davon ausgehen, daß der Dschinn ElChadd tatsächlich seine Hände im Spiel hat. Er führte Anschläge auf die Pipelines durch, die von den Ölfeldern zu den Tankern führen. Zunächst flog eine Pipeline in die Luft, das war seine erste Warnung. Natürlich dachten wir an Sabotage, denn Feinde haben wir genug, auch unter unseren eigenen Glaubensbrüdern. Doch ein Sabotageakt im landläufigen Sinne traf einfach nicht zu, denn die zweite Warnung war viel schlimmer. Eine Ölquelle explodierte. Es wurden unzählige Tonnen in die Luft geschleudert. Ich befand mich damals im Land und habe auch den Einsatz geleitet, da ich noch eine Sicherheitsfunktion innehabe. Leider sah ich die Ölsäule selbst nicht, aber ich weiß von glaubwürdigen Zeugen, daß sie innerhalb dieser gewaltigen Säule ein Gesicht gesehen haben wollen. Dieses Gesicht kann man mit den Wort Fratze bezeichnen, und es mußte schrecklich ausgesehen haben. Natürlich sprach es sich herum, und plötzlich erinnerte man sich wieder an ElChadd und seine finsteren Prophezeiungen. Sie waren nun mit voller Stärke eingetroffen.«
»Sind Menschen zu Schaden gekommen?« erkundigte ich mich.
»Beim ersten Anschlag nicht, beim zweiten allerdings. Es hat Tote gegeben. Genau 20 an der Zahl. Eine wirklich scheußliche Sache, und man hat die Toten in die Wüste geschafft und sie
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